Judenfeindliche Prozessionsdarstellungen, Kapelle Forum Misericordia in Paderborn (Marienloh)

Beschreibung

Die inzwischen abgehängten Kreuzwegbilder des Malers Wilhelm Sommer in der römisch-katholischen Kirche St. Georg waren leider nicht die einzigen antisemitischen Werke dieses Urhebers, die in Paderborn existieren. In einer Privatkapelle im Ortsteil Marienloh finden sich sehr ähnliche Objekte aus dem Jahr 1926. Die hier besprochenen Werke gehören zur Privatsammlung Ochsenfarth1 und können auf deren Internetseite eingesehen werden.

Die Stationen 3 und 11 des in der Marienloher Privatkapelle zu findenden Kreuzweges sind aus antisemitismuskritischer Sicht besonders problematisch. Aber auch in den Bildern der Stationen 1, 2, 10 und 12 sind bei der Darstellung der beteiligten Personen, ihrer Körperhaltung und ihrer Physiognomie entsprechende Ressentiments und antisemitische Vorurteile deutlich zu erkennen.

Bei der Ausgestaltung der bei Prozessionsdarstellungen üblichen Protagonist:innen greift der Urheber auf unterstellte physiognomische Merkmale zurück, die seit Ende des 18. Jahrhunderts eine rassistische Unterscheidung zwischen Jüdinnen:Juden und anderen Menschen behaupteten und bereits seit 1886 von Rudolf Virchow und 1913 durch Maurice Fishberg widerlegt sind. Zu diesen angeblichen Merkmalen zählen gebogene Nasen, enge Augenabstände und wulstige Gesichter.2 Damit einher gehen rassistische Unterstellungen gegenüber Jüdinnen:Juden wie Hinterlistigkeit, Verschlagenheit, Triebhaftigkeit, Unbelehrbarkeit und das Wirken im Verborgenen. Diese Merkmale sind bis heute im zeitgenössischen Antisemitismus zu finden und treten besonders im direkten Vergleich mit tatsächlich oder vermeintlich nicht-jüdischen Protagonisten auf den Kreuzwegbildern auf.

Die Darstellung der Station 11 scheint eine eigene Dynamik entwickelt zu haben. In anderen Kreuzwegen zeigen bei dieser Station die jüdischen Autoritäten häufig mit dem Finger auf die Tafel am Kreuz, da sie im biblischen Narrativ gegen die Bezeichnung Jesu als ‚König der Juden‘ opponieren. Bei diesem Kreuzweg ist aber die Tafel nicht zu sehen, und so sieht es aus, als ob der Vertreter jüdischer Autoritäten den Henkersknechten zeigen wollte, wie sie Jesus ordentlich ans Kreuz nageln sollten. Nicht nur dieses Detail reproduziert damit den Vorwurf des Gottesmordes gegenüber Jüdinnen und Juden.3

Im unmittelbaren Vergleich zwischen den hier vorgestellten und den in der römisch-katholischen Kirche St. Georg in Paderborn inzwischen entfernten Werken zeigt sich, dass der Urheber zwischen 1926 und 1946 die rassifizierenden und antisemitischen Darstellungsformen noch weiter zunehmend ausgeprägt hat.


Die hier dokumentierten und konzeptualisierten Werke finden sich auf der Internetseite der Firma Ochsenfarth: https://ochsenfarth-restaurierungen.eu/kreuzweg/, Stand: 11.4.2024. Aufgrund einer strittigen urheberrechtlichen Lage haben wir auf die Veröffentlichung der Bilder auf unserer Webseite verzichtet.

Fußnoten

1 vgl. Mukherjee, Rajkumar (15.4.2022): Der Traum von einer eigenen Kapelle, Westfalen-Blatt, in: https://www.westfalen-blatt.de/owl/kreis-paderborn/paderborn/der-traum-von-der-eigenen-kapelle-2558393?pid=true&npg, Stand: 11.4.2024

2 vgl. Schäfer, Julia (14.9.2004): Der antisemitische Stereotyp, Über die Tradition des visuellen „Judenbildes“ in der deutschsprachigen Propaganda, in: Zukunft braucht Erinnerung, in: https://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/der-antisemitische-stereotyp/, Stand: 14.6.2023;

vgl. Gorelik, Lena: Die Top Ten der antisemitischen Vorurteile: Warum sie wahr sind, in: https://www.jmberlin.de/sites/default/files/jmb-journal-8-leseprobe-gorelik.pdf, Stand: 18.8.2023

3 vgl. Die Gottesmordlegende: Grundlage für judenfeindliche Passionsdarstellungen über Jahrhunderte, in: https://spuren-sichtbar-machen.de/2024/03/die-gottesmordlegende-grundlage-fuer-judenfeindliche-passionsdarstellungen-ueber-jahrhunderte/, Stand: 16.4.2024