Dokumentieren, einordnen, sichtbar machen – Wie spuren-sichtbar-machen.de arbeitet

Was passiert eigentlich, nachdem ein Objekt gemeldet wurde? Wer entscheidet, ob es dokumentiert wird – und wie läuft dieser Prozess genau ab? Der folgende Beitrag beschreibt die Arbeitsweise des Projekts spuren-sichtbar-machen.de: von der ersten Kontaktaufnahme über die Recherche bis hin zur Veröffentlichung eines Beitrags.

Die allermeisten judenfeindlichen und antisemitischen Darstellungen im öffentlichen Raum sind bis heute weder dokumentiert noch kontextualisiert. Genau hier setzt die Arbeit von spuren-sichtbar-machen.de an. Unser Projekt macht diese weitgehend unbeachteten Spuren sichtbar und trägt dazu bei, dass ihre Wirkung benannt, historisch eingeordnet und kritisch reflektiert werden kann. Dass diese Arbeit notwendig ist, zeigt nicht nur der Blick auf die Objekte selbst, sondern auch die Vielzahl an Reaktionen aus der Bevölkerung. Immer wieder erreichen uns Hinweise von Menschen, die bei der Lektüre unserer Beiträge ähnliche Darstellungen an anderen Orten wiedererkennen – etwa in ihrer Heimatkirche, auf einem Denkmal oder an einem historischen Gebäude. Diese Hinweise sind ein Zeichen dafür, dass unser Projekt auf Resonanz stößt, aber sie zeigen auch, dass das Sichtbarmachen selbst neue Aufmerksamkeit erzeugt. Die Resonanz ist also nicht nur eine Reaktion, sondern Teil der Wirkung unseres Projekts.

Die Meldungen erreichen uns in der Regel telefonisch oder per E-Mail. Da ihre Zahl hoch ist und unsere Ressourcen begrenzt sind, konzentrieren wir uns auf Objekte in Nordrhein-Westfalen sowie in angrenzenden Regionen, in denen sich kirchliche oder administrative Grenzen überlappen. Etwa 60 Prozent der eingehenden Hinweise betreffen Objekte in diesem Gebiet.

Alle Meldungen werden absolut anonym bearbeitet. Nach inhaltlicher Auswertung der Hinweise werden entsprechende E-Mails oder Gesprächsnotizen umgehend gelöscht. Auch innerhalb der Gemeinschaft der Projektpartner:innen wissen nur die Personen, die die Meldung persönlich aufgenommen haben, woher diese stammt. Insbesondere gegenüber den Besitzer:innen der gemeldeten Objekte werden keinerlei Informationen preisgegeben, die Rückschlüsse auf die meldende Person zulassen.

Ob ein Objekt tatsächlich als Spur auf der Seite spuren-sichtbar-machen.de aufgenommen wird, entscheidet sich erst nach einer Besichtigung vor Ort. Diese ist in jedem Fall erforderlich – nicht nur, um entsprechende Fotografien zu erstellen, sondern auch, um die Darstellung im räumlichen und historischen Kontext erfassen zu können. Häufig sind die gemeldeten Objekte nicht öffentlich zugänglich, sodass Termine mit den jeweiligen Besitzer:innen abgestimmt werden müssen. Bei diesen Besichtigungen prüfen wir auch, ob bereits Maßnahmen zur Kontextualisierung existieren.

Erst auf Grundlage des Eindrucks vor Ort kann eine Einschätzung erfolgen, ob ein Objekt judenfeindliche oder antisemitische Inhalte transportiert. Falls dies der Fall ist, beginnt ein intensiver Arbeitsprozess. Zunächst wird ein erster Entwurf für einen Beitrag erarbeitet, der das Objekt sachlich dokumentiert, historisch einordnet und seine Wirkung kritisch beleuchtet. Dafür sind meist umfangreiche Recherchen notwendig. Je nach Fragestellung binden wir zudem Expert:innen aus verschiedenen Bereichen ein – etwa aus der Kunstgeschichte, der Denkmalpflege oder der Theologie. Der Entwurf wird anschließend mit unseren Projektpartner:innen diskutiert. Zum Projektverbund gehören die Beratungsstellen für Antidiskriminierungsarbeit der jüdischen Gemeinden Dortmund (ADIRA) und Düsseldorf (SABRA), die Meldestelle des Vereins für Aufklärung und demokratische Bildung e. V. (RIAS NRW) sowie die Beratungsstelle für Antidiskriminierungsarbeit der Diakonie Paderborn-Höxter (ada.kreis-höxter). Grundvoraussetzung für die Veröffentlichung eines Beitrags ist, dass mindestens eine jüdische Perspektive in die Beurteilung eingeflossen ist. Bei abweichenden Einschätzungen ist die jüdische Sichtweise maßgeblich.

Wenn nach dieser intensiven Abstimmung keine Einwände mehr bestehen, wird der Beitrag veröffentlicht. Die Besitzer:innen der Objekte werden spätestens zu diesem Zeitpunkt informiert, meist jedoch bereits im Verlauf der Recherche eingebunden. Mit der Veröffentlichung bieten wir ihnen zudem unsere Unterstützung bei einer möglichen Kontextualisierung vor Ort an. Auffällig ist, dass die Veröffentlichung eines Beitrags häufig zu neuen Hinweisen auf ähnliche Objekte führt – ein deutliches Zeichen dafür, dass Sichtbarmachung nicht nur auf bestehende Aufmerksamkeit trifft, sondern selbst neue Aufmerksamkeit schafft.

Unsere zeitlichen Ressourcen erlauben es allerdings nicht, die weitere Entwicklung des Umgangs der Besitzer:innen mit den dokumentierten Objekten aktiv zu beobachten. Wenn nach der Veröffentlichung Maßnahmen der Kontextualisierung oder eine Entfernung der Objekte erfolgen, sind wir daher auf entsprechende Hinweise angewiesen, um diese nachträglich in den jeweiligen Beiträgen ergänzen zu können.


Eine neue Spur kann man hier melden.