Entwicklung der Judenfeindschaft bis 1945

In diesem Beitrag wird die Entwicklung der Judenfeindlichkeit dargestellt, angefangen mit den frühesten bekannten Ereignissen. Er entstand im Rahmen eines Praktikums zum Studium der Sozialen Arbeit. Dem Umfang dieser Arbeit geschuldet endet diese Zeitleiste 1945, jedoch endeten mit der Shoah weder Judenfeindschaft noch Antisemitismus. Aktuelle Vorfälle von Judenfeindschaft dokumentiert und erforscht der Bundesverband RIAS e.V. , der unter anderem jährliche Berichte über antisemitische Vorfälle publiziert.

vor dem Jahr 0
0 – 3761
586 v. Chr. / 3261
    • Die monotheistische Besonderheit der jüdischen Religion und ihre Unangepasstheit an das nicht-jüdische Umfeld bringt viel Aufmerksamkeit mit sich und führt sowohl zu Bewunderung als auch zu Ablehnung
    • Der Erste oder Salomonische Tempel in Jerusalem wird durch die Neubabylonier zerstört. Das Judentum verliert seinen religiösen und kulturellen Mittelpunkt
    • Große Teile der jüdischen Bevölkerung des Königreich Juda werden ins babylonische Exil deportiert
1. Jahrhundert
3761 – 3861
30–36  n. Chr. / 3791–3797
    • Jesus von Nazareth wird unter dem römischen Präfekten von Judäa, Pontius Pilatus, in Jerusalem gekreuzigt.
    • Allen vier Evangelien erzählten die Legende, Jesus Jünger Judas Iskariot habe ihn als Aufrührer gegen die römische Vorherrschaft für 30 Silberstücke verraten. Aus der Verantwortlichmachung Judas‘ für den Tod Jesu entwickelten sich die antijüdischen Stereotypen des „Gottesmords“ und des „Geldjuden“

38 n. Chr. / 3799
    • Der jüdische Gelehrte Philo von Alexandria dokumentiert das erste antijüdische Pogrom der Geschichte
    • Im ägyptischen Alexandria unter Herrschaft Alexander des Großen hatte sich die größte jüdische Diasporagemeinde der damaligen Welt entwickelt
    • Nach der römischen Eroberung Ägyptens wurde die soziale Hierarchie neu geordnet, unter der vor allem Jüdinnen:Juden zu leiten hatten und schon zuvor bestehende politische, religiöse und kulturelle Konflikte verschärft wurden
    • Mit dem Besuchs des jüdischen Königs Agrippa I. brechen diese Konflikte offen aus. Zuerst durch Untätigkeit, später mit Erlaubnis der römischen Machthabe werden Aufmärsche veranstaltet, Jüdinnen:Juden zusammengetrieben, ausgeplündert, geschlagen und mit Steinen beworfen

70 n. Chr. / 3831
    • Der 66 n. Chr. / 3827 ausgebrochene Jüdische Krieg gegen die politische Unterdrückung von Jüdinnen:Juden durch die Römischen Machthaber in Judäa endet mit der Eroberung Jerusalems durch die Römer
    • Der von aus dem babylonischen Exil zurückgekehrten Jüdinnen:Juden erbaute Zweite Tempel wird geplündert und niedergebrannt
    • Das Judentum verliert erneut seinen religiösen und kulturellen Mittelpunkt. Viele Gebote der Tora, die in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Tempel stehen, sind nicht mehr praktizierbar
    Darstellung Plünderung des Tempels
    Darstellung Plünderung des Tempels
    Quelle Bild: Buhrow, Tom (2020): WDR, 30. August 70 – Zerstörung des Tempels von Jerusalem, in: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-zerstoerung-tempel-jerusalem-100.html, Stand 08.08.2024
    4. Jahrhundert
    4061 – 4161
    310 n. Chr. / 4071
      • Der römische Kaiser Konstantin der Große, ein Förderer des Christentums, lässt sich auf dem Sterbebett taufen
      • 325 v. Chr. hatte er das Erste Konzil von Nicäa einberufen, das die Trinitätslehre (Einheit von Vater, Sohn und heiligem Geist) im Christentum durchsetze
      • Zugleich wurde der falsche Vorwurf, Jüdinnen:Juden hätte Jesus Christus ermordet durch die Erklärte Einheit von Vater, Sohn und Heiligem Geist zum Vorwurf des Gottesmordes radikalisiert
    5. Jahrhundert
    4161 – 4261
    439 n. Chr. / 4600
      • Im Römischen Reich tritt der Codex Theodosianus in Kraft, der erstmalig Jüdinnen:Juden einen offiziellen Rechtsstatus zuweist. Sein 16. Buch über das Kirchenrecht gewährt Jüdinnen:Juden zwar grundsätzlichen Schutz durch das Recht, geht aber auch mit vielen Verboten einher
      • Jüdische Glaubensfreiheit wird gesetzlich stark eingeschränkt, der Bau von Synagogen untersagt und der Zugang zu angesehenen Berufen in Militär, Beamtentum und Gerichtswesen verwehrt.
    6. Jahrhundert
    4261 – 4361
    534 n. Chr. / 4295
      • Das Corpus Iuris Civilis tritt als wichtigste Textgrundlage des in weiten Teilen Europas bis ins 19. Jahrhundert angewandten Römischen Rechts
      • Verbote gegenüber Jüdinnen:Juden verschärfen sich: Verbot nicht-jüdische Sklav:innen zu erwerben, Verbot interreligiöser Heiraten sowie erweiterte Berufsverbote.
    7. Jahrhundert
    4361 – 4461
    ca. 612 n. Chr. / 4373
      • Der Islam entsteht. Der Prophet Mohammed hofft, von Jüdinnen:Juden in Medina als neuer Messias empfangen zu werden, diese lehnen ihn jedoch ab
      • Mohammet übernimmt militärisch die Macht in Medina, vernichtet oder vertreibt die jüdischen Stämme und zwingt alle Nicht-Muslime in den zweitklassigen Rechtsstatus der Dhimma. Diese erlaubt die Religionsausübung unter Auflagen, etwa durch Zahlung einer Sondersteuer, die Jizya

    632 n. Chr. / 4393
      • Der Islam expandiert über drei Kontinente. Zur umfassenderen politischen Kontrolle seiner religiösen Vorschriften in diesem großen Gebiet, wir die Dhimma im Pakt von Umar als allgemeinverbindlich für alle Nicht-Muslime festgeschrieben
      • Zudem werden die Regeln verschärft: Die jüdische und christliche Bevölkerung muss ein Erkennungszeichen tragen, ihnen wir das Tragen von Waffen und das Reiten von Pferden untersagt und der Bau ihrer Gotteshäuser mit der Auflage versehen, nicht höher als Moscheen sein zu dürfen
    Initiale O mit erster Darstellung der “Ecclesia”, um 850 n. Chr.
    Initiale O mit erster Darstellung der  “Ecclesia”, um 850 n. Chr.
    Quelle Bild: Initiale O im Sacramentarium des Drogo, in: Raddatz, Alfred (1955): Zur Geschichte eines christlichen Bildmotivs, Ecclesia und Synagoge, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 54
    8. Jahrhundert
    4461 – 4561
    780 n. Chr. / 4541
      • Auch in Europa werden unter Karl dem Großen neue Gesetze erlassen: Es werden Kleidervorschriften für Jüdinnen:Juden erlassen, um sie auch optisch von der christlichen Bevölkerung zu unterscheiden und die Berufswahl noch weiter eingeschränkt
    9. Jahrhundert
    4561 – 4661
    825 n. Chr. / 4586
      • Unter Ludwig dem Frommen, Sohn von Karl dem Großen, erhalten Jüdinnen:Juden Zugeständnisse. Sie werden von Zöllen auf ausländische Sklav:innen befreit, ihnen wird erlaubt, christliche Dienstboten zu beschäftigen und ihnen der Schutz von Anfeindungen, Bedrohungen und Gottesurteilen, also der Verurteilung aufgrund vermeintlich übernatürlicher Zeichen als Entscheidungshilfe bei Rechtsstreitigkeiten
    Die Synagoge Satans, um 800 n. Chr.
    Die Synagoge Satans, um 800 n. Chr.
    Quelle Bild: Schreckenberg, Heinz (1999): Christliche Adversus-Judaeus-Bilder, das Alte und Neue Testament im Spiegel der christlichen Kunst, Frankfurt am Main, S. 40
    11. Jahrhundert
    4761 – 4861
    1066 n. Chr. / 4837
      • In Granada im islamischen Herrschaftsgebiet al-Andalus findet das erste Pogrom auf europäischem Boden statt.
      • Ein muslimischer Mob stürmte den Königspalast und kreuzigten den jüdischen Wesir.
      • Dass Jüdinnen:Juden der Dhimma entsprechend keine öffentlichen Ämter bekleiden durften, wird als Auslöser betrachtet, gegen die jüdische Bevölkerung der Stadt gewaltsam vorzugehe

    1090 n. Chr. / 4851
      • Die von Kaiser Heinrich IV. stellt das erste Schutzprivileg für Jüdinnen:Juden aus und stellt sie somit unter besonderen Schutz lokaler Fürsten
      • Er währte ihnen Schutz von Leben und Eigentum, freie wirtschaftliche Betätigung und Religionsausübung sowie Autonomie der Gemeinden bei innerjüdischen Rechtsangelegenheiten, Verbot von Zwangstaufen und verbindliche Regelungen in interreligiösen Rechtsstreitigkeiten
      • Dabei ging es Heinrich aber keinesfalls um christliche Nächstenliebe oder den persönlichen Schutz von Jüdinnen:Juden, sondern um ökonomische Gründe. Er befürchtete, dass durch Pogromen jüdisches Vermögen geplündert werden könnte und so deren Steuerabgaben nicht den jeweiligen Territorialherren zukommen würde.

    1095 n. Chr. / 4856
      • Papst Urban II. ruft zum Kreuzzug auf, um Jerusalem zurückzuerobern, das kurz zuvor unter islamische Herrschaft gebracht wurde
      • Das Töten aller vermeintlichen Feinde wird erlaubt
      • Christliche Prediger hetzen unter Bezug auf den Mythos des „Gottesmords“ auch gegen Jüdinnen:Juden als „schlimmste Feinde“ Gottes innerhalb der christlich geprägten Gesellschaften Europas

    1096 n. Chr. / 4857
      • Auf dem Gebiet des heutigen Deutschlands kommt es zu den ersten Pogromen im sogenannten „christlichen Abendland“
      • Unter dem antijüdischen Motto „Taufe oder Tod“ wendeten christliche Kreuzritter auf dem Weg nach Jerusalem systematisch Gewalt gegen Jüdinnen:Juden an oder zwangen sie zum Konvertieren

     

    12. Jahrhundert
    4861 – 4961
    1103 n. Chr. / 4864
      • Als Reaktion auf diese Pogrome und dem Versagen der lokalen Fürsten bei der Durchsetzung des 1090 verbrieften Schutzes von Jüdinnen:Juden durch lokale Fürsten nimmt Kaiser Heinrich der IV. die jüdische Bevölkerung des Heilige Römischen Reiches in den allgemeinen Landfrieden auf
      • Jüdinnen:Juden besaßen zwar die ihnen 1090 zugestandenen Rechte, wurden aber zugleich in den Rechtsstatus der Kammerknechtschaft gezwungen. Jüdinnen:Juden werden zum wirtschaftlichem Besitz, letztlich zu Sklav:innen (Kammergut) des Kaisers uneingeschränkt ausbeutbar

    1144 n. Chr. / 4905
      • In Norwich (England) wird der 12-jährige William unter ungeklärten Umständen ermordet aufgefunden.
      • Christliche Geistliche verbreiten die Lüge, dass Jüdinnen:Juden den Jungen entführt und ermordet hätten
      • Die Hetzer behaupten, der Mord habe am 22. März 1144 stattgefunden, dem zweiten Tag des Pessachfestes und zugleich dem christlichen Karmittwoch, dem Tag, der in christlicher Tradition mit dem vermeintlichen Verrat an Jesus durch Judas Iskariot in Verbindung gebracht und als Unglückstag beschrieben wird
      • Die christlichen Hetzer behaupten außerdem, die beschuldigten Jüdinnen:Juden hätten Williams Blut für das Backen von Mazzen verwendet.
      • Es entsteht die bis heute in antisemitischen Verschwörungserzählungen wirkmächtige Lüge vom Ritualmord

    Ab ca 1160 n Chr. / 4921
      • Jüdinnen:Juden werden in der christlichen Kunst zunehmend mit bestimmten, stereotypen Körpermerkmalen und Kleidungsstücken dargestellt: Dazu gehören etwa eine krumme Nase, eine kleinere, „degenerierte“ Körpergröße, dunklere Haut und verschlagener Blick oder der der sogenannte „Judenhut“

    Ab ca. 1179 n Chr. / 4940
      • Mit gesellschaftlichem und ökonomischem Fortschritt, zunehmender Konzentration von Reichtum in den Händen der (christlichen) Herrscher und enormen Bevölkerungswachstum verschärfte sich zugleich auch die ökonomische Situation vieler Menschen
      • Kleinere Gewerbe konnten sich ohne das Aufnehmen von Krediten kaum halten, durch die Ausnahme vom Zinsverbot werden vor allem Jüdinnen:Juden für die Verschärfung verantwortlich gemacht, zunehmend Beleidigung und Verfolgung ausgesetzt
      • Zwar galt das Nehmen von Zinsen in allen monotheistischen Religionen lange als verboten, Jüdinnen:Juden war es allerdings prinzipiell gestattet, Zinsen von Menschen anderer Religionen zu verlangen
      • Während Christ:innen bei Verstoß gegen dieses Verbot die Exkommunikation drohte, gestattete Papst Alexander III. Jüdinnen:Juden explizit das Zinsgeschäft
      • Dem Fakt zu Trotz, dass nur wenige ihr Auskommen tatsächlich über Geldverleih erwirtschafteten und viele Jüdinnen:Juden durch die zuvor von der christlichen Obrigkeit verfügten Berufs- und Besitzverbote in Armut lebten, entwickelte sich das antijüdische Stereotyp des reichen, habgierigen und betrügerischen „Geldjuden“ oder „Wucherers“. Theologisch konnte an den Verrat an Jesus durch Judas Iskariot angeknüpft werden

     

    Kreuzigung Christi durch Juden, 1166 n. Chr.
    Kreuzigung Christi durch Juden, 1166 n. Chr.
    Quelle Bild: Schreckenberg, Heinz (1999): Christliche Adversus-Judaeus-Bilder, das Alte und Neue Testament im Spiegel der christlichen Kunst, Frankfurt am Main, S. 89
    13. Jahrhundert
    4961 – 5061
    1215 n. Chr. / 4976
      • Das vierte Laterankonzil, bei dem Verantwortliche der Christlichen Kirche in Rom gemeinsam über umstrittene religiöse Fragen beraten und entscheiden, verschärft diese antijüdischen Entwicklungen
      • Es wird der Vorwurf des Wuchers verteidigt, die Kennzeichnung von Jüdinnen:Juden und der Ausschluss von Ämtern beschlossen sowie das Verbot erlassen, nach einer Taufe zum jüdischen Glauben zurückzukehren
      • Ziel war eine Trennung von christlicher und jüdischer Bevölkerung

    1224 n. Chr. / 4985
      • In verschiedenen kaiserlichen Urkunden werden die Rechte von Jüdinnen:Juden, die ihnen 1090 und 1103 zugesichert worden sind, bestätigt
      • Der Sachsenspiegel, ein historisch wichtiger Rechtstext, verurteilt antijüdische Gewalt und setzt Enthauptung als Strafe fest; allerdings nur, wenn die angegriffenen Jüdinnen:Juden unbewaffnet waren
      • Der verbriefte Schutz von Jüdinnen:Juden bedingte aber, dass sie keine Waffen tragen durften. Damit wurde ihr soziales Prestige weiter abgesenkt, da nur der waffenfähige Mann von der Rechtsordnung voll anerkannt wurde

    1235 n. Chr. / 4996
      • Am 28. Dezember kommt es zu einem Pogrom in Fulda, bei dem 32 der dort ansässigen Jüdinnen:Juden ermordet werden
      • Anlass war der, auf die verbreitete Ritualmordlüge zurückzuführende Beschuldigen zweier Juden, die fünf Kinder eines Müllers ermordet und ihr Blut abgefüllt zu haben

    1240 n. Chr. / 5001
      • In Frankreich setzt Ludwig der Heilige erstmal die antijüdischen Vorgaben des vierten Laterankonzilsvon 1215 um. Jüdinnen:Juden müssen einen gelben Ring als Erkennungszeichen tragen, unterliegen Versammlungsbeschränkungen und Berufsverboten

    1287 n. Chr. / 5048
      • Nach dem ungeklärte Tod eines Jugendlichen mit Bezug auf die Ritualmordlüge im rheinischen Bacharach wird die jüdische Gemeinde des Ortes zerstört, die Jüdinnen:Juden der Stadt werden ermordet oder vertrieben
      • Die antijüdische Gewaltwelle greift auf Städte im Mosel, Niederrhein- und Niederrheingebiet über

    1290 n. Chr. / 5051
      • In Paris erfolgt die erste Hostienschändungsprozess
      • Der „Hostienfrevel“ wirft Jüdinnen:Juden vor, sich geweihte, das beim letzten Abendmal verwendete Brot symbolisierende Hostien zu beschaffen und zu zerstören, um die Kreuzigung Jesu zu wiederholen
      • Wie die „Ritualmordlüge“ und der „Gottesmordvorwurf“ behauptet auch der „Hostienfrevel“, dass Jüdinnen:Juden in ihrer religiösen Praxis zwanghaft antichristlich handeln würden
      • Der Pariser Prozess warf einem Juden vor, eine Hostie von einer Christin gekauft und in ihrem Beisein geschändet zu haben, woraufhin die Hostie Blut vergossen haben und weggeflogen sein. Der Angeklagte wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt

    1298 n. Chr. / 5059
      • Zwar finden der Hostienschändungsprozess über Frankreich hinaus kaum Anklang, breitet sich aber im Süden des heutigen Deutschland aus und fordert innerhalb weniger Monate in über hundert Städten und Orten mehr als 5000 jüdische Opfer

    Zum Ende des Jahrhundert werden Jüdinnen:Juden zunehmend aus England, Frankreich und Deutschland vertrieben und leben für die nächsten Jahrhunderte nicht mehr deutlich sichtbar in Westeuropa. In christlichen Rechtstexten, Passionsspielen, Theologie und Philosophie werden Sie trotzdem immer wieder aufgegriffen

    Darstellung des Ritualmordmythos, 1476 n. Chr.
    Darstellung des Ritualmordmythos, 1476 n. Chr.
    Quelle Bild: Kupferstich aus Matthaeus Raders “Bavaria Sancta”, in: Lotter, Friedrich (1955): Aufkommen und Verbreitung von Ritualmord- und Hosteinfrevelanklagen gegen Juden, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 67
    14. Jahrhundert
    5061 – 5161
    1348 n. Chr. / 5109
      • Die Pest („Schwarzer Tod“) breitet sich in Europa aus, außerdem treten weitere Krisen wie massiven Ernterückgängen, hohe Getreidepreise, Landknappheit und Hungersnöte auf
      • Diese Krisenzeit führte zu einer erhöhten Volksfrömmigkeit, mehr religiösem Fanatismus und der Suche nach einfach Erklärungen
      • Zur Erklärung der Krise wurde – anschließend an die antijüdischen Mythen des Ritualmords und der Hostienschändung – die Vorstellung verbreitet, Jüdinnen:Juden würden systematisch Brunnen vergiften, um die christliche Bevölkerung zu dezimieren oder auszulöschen
      • Die christliche Bevölkerung reagiert mit antijüdischen Pogromen, die sich – analog zur Verbreitung der Pest – von dem Mittelmeerhäfen im Süden in den Norden Europas aus
      • Den „Pestpogromen“ fielen viele tausend Jüdinnen:Juden zum Opfer, die bedeutensten jüdischen Gemeinden auf dem Gebiet des heutigen Deutschland wurden ausgelöscht
      • Erneut waren die lokalen Fürsten, die Jüdinnen:Juden den Schutz von Leib und Leben verbrieft hatten, nicht nachgekommen
    15. Jahrhundert
    5161 – 5261
    1412 n. Chr. / 5173
      • In Spanien werden Zugeständnisse von Rechten und Freiheiten davon abhängig gemacht, ob Jüdinnen:Juden zum Christentum konvertieren. Im Zuge dieses Zwangsentscheidung treten vier Fünftel der spanischen Jüdinnen:Juden zum Christentum über

    1449 n. Chr. / 5210
      • Ein neues Gesetz in Toledo (Spanien) radikalisiert den bisher primär in der Religion begründeten Antijudaismus zur Frühform eines Proto-Antisemitismus.
      • Das Gesetz besagt, dass Jüdinnen:Juden qua ihres Blutes auch nach dem Konvertieren jüdisch bleiben.
      • Im Zuge dieser Wesensbestimmung über vermeintlich Blutlinien erfolgen Überprüfungen von Stammbäumen, denen abermals Ausschluss von Ämtern und Berufen folgt, von der auch „ehemalige“, zum Christentum konvertierte Jüdinnen:Juden betroffen sind

    1492 n. Chr. / 5253
      • Im Zuge der sogenannten Reconquista wird am 2. Januar 1492 mit dem Ende der Belagerung von Granada der letzte muslimische Herrschaftsbereich auf europäischem Boden erobert und die iberische Halbinsel wieder unter christliche Vorherrschaft gestellt
      • Am 31. März erlassen Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón das Alhambra-Edikt (auch: Decreto de la Alhambra oder Edicto de Granada), das alle nicht bis zum 31. Juli des selben Jahres zum Christum übergetretenen Jüdinnen:Juden unter Androhung von Todesstrafe und Beschlagnahmung ihres Besitzes zur Verbannung aus Spanien zwingt
      • Die spanische Inquisition stellt konvertierten oder zwangsgetauften, „ehemaligen“ Jüdinnen:Juden (Conversos) aufgrund ihres „jüdischen Blutes“ unter Generalverdacht. Die der Häresie bezichtigten und „überführten“ Conversos wurden häufig zum „Feuertod“ verurteilt und öffentlich auf Scheiterhaufen verbrannt
    Darstellung Verbrennung der Juden, 1421 n. Chr.
    Darstellung Verbrennung der Juden, 1421 n. Chr.
    Quelle Bild: Darstellun in Schedel´schen Weltchronik, in: Weinzierl, Erika (1955): Stereotype christlicher Judenfeindschaft, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 133
    18. Jahrhundert
    5461 – 5561
    1789 n. Chr. / 5550
      • Zu Beginn der Französischen Revolution leben etwa 40.000 Jüdinnen:Juden ohne Aufenthaltsrecht in französischen Gebieten
      • Nach der revolutionären Abschaffung des feudalen und absolutistischen Ständestaats des Ancien Régime werden in der französischen Nationalversammlung in 17 Artikeln jedem männlichen Franzosen mit der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte unveräußerliche Rechte zugesprochen. Jüdinnen:Juden werden diese Rechte zunächst verweigert

    1791 n. Chr. / 5552
      • Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte wird auf männliche Juden ausgeweitet. Sie erhalten volle staatsbürgerliche Rechte

    1799 n. Chr. / 5560
      • Napoleon Bonaparte begeht einen Staatstreich gegen die Republik und setzt sich als Alleinherrscher ein
    Quittung “Leibmaut” für Juden, 1748 n. Chr.
    Quittung “Leibmaut” für Juden, 1748 n. Chr.
    Quelle Bild: Quittung Leibmaut für Juden bei Übertritt von Landes- und Stadtgrenzen, in: Lichtblau, Albert (1955): Macht und Tradition, Von der Judenfeindschaft zum modernen Antisemitismus, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 214
    19. Jahrhundert
    5561 – 5661
     1808 n. Chr. / 5569
      • Napoleon Bonaparte entzieht mit dem Decrét Infâme die den männlichen Juden zugesprochenen Bürgerrechte und schränkt so deren Vermögensrechte, Gewerbe- und Bewegungsfreiheit mit dem Ziel ein, Jüdinnen:Juden über einen Dauer von zehn Jahren zu Mitgliedern der christlichen Gesellschaft „erziehen“ zu können.
      • Das Dekret wurde 1818 aufgehoben und trotz dieser temporären Einschränkung von Rechten wurden Jüdinnen:Juden zumindest formal in die französische Gesellschaft integriert

    1819 n. Chr. / 5580
      • Auf ähnliche Ansätze der staatsbürgerlichen Emanzipation von Jüdinnen:Juden in Preußen, wie sie im Edikt betreffend die bürgerlichen Verhältnisse der Juden festgehalten wurden und von Wilhelm von Humboldt auf den Deutschen Bund auszuweiten versucht wurden, wird mit den größten antijüdischen Pogromen seit dem Mittelalter reagiert
      • Die sogenannten Hep-Hep-Unruhen weiten sich von Würzburg über das heutige Deutschland bis in Teile Polens, Frankreichs und Dänemarks aus
      • Ziel war die Zurückdrängung der jüdischen Emanzipationsbestrebungen

    1840 n. Chr. / 5601
      • Christen schreiben einen Mord an einem christlichen Prediger und seinem Diener in Damaskus unter Bezug auf die Ritualmordlüge Jüdinnen:Juden zu. Diese Erklärung des Mordes findet bei der muslimischen Bevölkerung Anklang, die mit Gewalt gegen Jüdinnen:Juden reagiert. Die sogenannte Damaskus-Affäre verbreitet die christliche Ritualmordlüge im Osmanischen Reich und dem islamischen Nahen und Mittleren Osten.

    Ab 1845 n. Chr. / 5606
      • Die zunehmende Industrialisierung, die Trennung von Produktions- und Zirkulationssphäre im Kapitalismus und die rasante Entwicklung des kapitalistischen Weltmarktes befördert – im Anschluss an die im Stereotyp des „Geldjuden“ oder „Wucherers“ begründete, vermeintliche Affinität von Jüdinnen:Juden zu Geld, Zins und Kapital – eine neue Form der Judenfeindschaft, die sich später in der vermeintlichen „Kritik“ des „internationalen Finanzjudentums“ ausdrücken wird.
    1853 n. Chr. / 5614
      • Arthur de Gobineau verfasst mit dem Versuch über die Ungleichheit der Menschenrassen erste „rassentheoretische“ Abhandlung, in der er mit pseudowissenschaftlichen Mitteln eine überlegene „arische Rasse“ konstruiert, der Jüdinnen:Juden als „semitische Rasse“ unterlegen sei.

    1860 n. Chr. / 5621
      • In Italien wird der jüdische Junge Edgardo Motara heimlich von einem christlichen Dienstmädchen getauft und entführt, um ihn unter christlicher Obhut im Vatikan unter persönlichem „Schutz“ von Papst Pius IX. aufwachsen zu lassen, beginnt ein Rechtsstreit mit der jüdischen Gemeinde, die erfolglos Edgardos Freilassung fordert
      • Daraufhin wird in Paris die erste internationale Organisation zum Schutz von Jüdinnen:Juden, die Alliance Israélité Universelle, gegründet

    1870 n. Chr. / 5631
      • Die jüdische Emanzipation setzt sich in ganz Westeuropa durch.
      • Die „Verwissenschaftlichung“ der Judenfeindschaft setzt ein. Mit pseudowissenschaftlichen Methoden der Kraniometrie („Schädelmessung“) und Anthropmetrie („Maßverhältnisse am menschlichen Körper“) sollen Unterschiede zwischen „Menschenrassen“ „bestätigt“ und ein ungleicher politischer Umgang gerechtfertigt werden

    1879 n. Chr. / 5640
      • Der Publizist Wilhelm Marr etabliert mit seiner Propaganda-Schrift Der Sieg des Judenthums über das Germanentum – Vom nichtconfessionellen Standpunkt aus Betrachtet den Begriff „Antisemitismus“
      • Die Judenfeindschaft wird nicht in religiösen Begriffen begründet, sondern politisch und völkisch. Marr unterstellt „den Juden“ das Streben nach Weltherrschaft und der Zersetzung von gewachsenen Gemeinschaften.
      • Als politisches Gegengewicht gründet Marr die Antisemitenliga als politische Bewegung. Viele ähnliche Bewegungen, Parteien, Verlage und Zeitungen entstehen vor allem im deutschsprachigen Raum, die vor allem vom Bildungsbürgertum getragen werden
      • Antisemitismus gehört zum „guten Ton“ und als Zugehörigkeitsmerkmal zur deutschen Elite. Die Historikerin Shulamit Volkov hat den deutschen Antisemitismus am Ende des 19. Jahrhunderts daher als „kulturellem Code“ bezeichnet.

    1881 n. Chr. / 5642
    • Ein tödliches Attentat auf den russischen Zar Alexander II. durch eine terroristische Untergrundorganisation Narodnaja Wolja wird mit antijüdischen Verschwörungsmythen geschmückt, nach denen sich Jüdinnen:Juden durch die Ermordung des Zaren den Umsturz der ganzen Gesellschaft erhoffen.
    • Im Zuge des Attentats finden bis 1884 n. Chr. / 5645 mehrere hundert Ausschreitungen mit hunderten ermordeten und tausenden verletzten Jüdinnen:Juden, zerstörtem Besitz und einer Verschärfung der russischen „Judengesetze“ statt

    1886 n. Chr. / 5648
      • In Frankreich veröffentlicht Édouard Drumont das antisemitische Werk La France Juive (Das jüdische Frankreich). Zentrum seiner antijüdischen ist zwar der christliche Gottesmordmythos, er bedient sich aber auch moderner „rassentheoretischer“ Argumentationen

    1889 n. Chr. / 5651
      • Nach dem Vorbild von Wilhelm Marrs Antisemitenliga die Ligue nationale anti-sémitique de France, auch hier entstehen antisemitische Bewegungen, Verlage und Zeitungen
      • Auch in Frankreich wird der Antisemitismus am Ende des 19. Jahrhunderts mehr und mehr zum „kulturellen Code“ und gilt in Bildungsbürgertum und Politik als erstrebenswerte Einstellung

    1894–1899 n. Chr. / 5656–5661
      • Dieses antisemitischen Klima in Frankreich gipfelt im Justizskandal der Dreyfuß-Affäre. Der jüdische Hauptmann Alfred Dreyfuß wird auf Grundlage zweifelhafter Dokumente und widerrechtlicher Beweise des Landesverrates durch vermeintliche Zusammenarbeit mit dem Deutschen Reich angeklagt. Die im Zuge der Affäre stattfindenden Krawalle, Attentate, politische Intrigen bis hin zum versuchten Staatsstreich durch antidemokratische Kräfte stürzte die französische Gesellschaft in eine schwere politische und moralische Krise

    1896 n. Chr. / 5658
      • Unter dem Eindruck des während der Affäre offen geäußerten Antisemitismus in Teilen der französischen Bevölkerung schreibt Theodor Herzl das Buch der Judenstaat, das das Fundament für den modernen, politischen Zionismus als jüdischer Nationalbewegung legt

    1897 n. Chr. / 5659
      • In Basel findet der erste Zionistenkongress statt, auf dem die ZWO, Zionist World Organisation oder Zionistische Weltorganisation auf Initiative Herzls gegründet wird. Dort wurde mit dem Basler Programm auch festgelegt, dass in Reaktion auf die zunehmende antisemitische Verfolgung in Europa ein jüdischer Nationalstaat auf dem Gebiet des zu diesem Zeitpunkt unter Kontrolle des Osmanischen Reiches stehenden Palästina entstehen soll
    Antisemitische Postkarte
    Antisemitische Postkarte
    QUELLE BILD: Krüger, Thomas (2006): Bundeszentrale für politische Bildung, Judenfeindschaft von der Antike bis zur Neuzeit, IN: HTTPS://WWW1.WDR.DE/STICHTAG/STICHTAG-ZERSTOERUNG-TEMPEL-JERUSALEM-100.HTML, STAND 14.08.2024
    20. Jahrhundert bis 1945
    5661 – 5711
    1903 n. Chr. / 5664
      • Mit der ersten, russischsprachige Ausgabe von Die Protokolle der Weise von Zion erscheint ein fiktionales Pamphlet, das sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts zur globalen Programmschrift antisemitischen Verschwörungsdenkens entwickelt
      • Die Protokolle, deren Herkunft noch immer nicht exakt geklärt werden konnte, geben vor, die Geheimpläne offenzulegen, mit der ein verschworener Kreis als mächtig und international vernetzt imaginierter Jüdinnen:Juden die Welt unter ihre Kontrolle bringen wollen
      • Im ukranisischen Kishinov wird ein christliches Kind ermordet und Jüdinnen:Juden erneut des Ritualmords beschuldigt. Der Beschuldigung folgt das erste antisemitische Pogrom des 20. Jahrhunderts
      • 000 Jüdinnen:Juden gehen in die Emigration, viele nach England und die USA, eine Minderheit nach Palästina mit dem Ziel, die Gründung eines jüdischen Nationalstaates vor Ort zu unterstützen

    1912 n. Chr. / 5673
      • In Fès unterzeichnet Sultan Mulai Abd al-Hafiz einen Vertrag, der Marokko zum französischen Protektorat macht
      • Aus Wut über diese Abgabe an Souveränität vergreift sich die arabische Bevölkerung an der jüdischen Bevölkerung der Stadt und deren Besitztümern
      • Etwa 50 Jüdinnen:Juden werden ermordet

    1919 n. Chr. / 5680
      • Der US-amerikanische Unternehmer und Automobilpionier Henry Ford kauft die Zeitung The Dearborn Independent in dem er eine englische Version der Protokolle der Weisen von Zion verbreitet und ab 1920 auch sein vierbändiges Buch The International Jew – The World‘s Foremost Problem in Artikelform verbreitete. Mit diesem, seinem Inhalt nach den Protokollen sehr ähnlichen und in 16 Sprachen übersetzen Buch leistete Ford der internationalen Verbreitung der antisemitischen Verschwörungsideologie einer „jüdischen Weltherrschaft“ enormen Vorschub.

    1920 n. Chr. / 5681
      • Nach der der Niederlage Deutschlands und seiner Verbündeten im Ersten Weltkrieg und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, erhält Großbritannien das Völkerbundsmandat für Palästina.
      • Das britische Mandatsgebiet Palästina umfasste das heutige Israel und Jordanien sowie die palästinensischen Autonomiegebiete
      • Mit der Übernahme des Mandats durch Großbritannien und der Befreiung von der Herrschaft des Osmanischen Reiches nahmen auch die Forderungen des Jischuw, der jüdischen Bevölkerung des Gebietes, zur Gründung eines jüdischen Nationalstaates wieder zu
      • Ebenfalls 1920 wurde mit der Wahl eines jüdischen Nationalrates jüdische Selbstverwaltungsstrukturen ausgebildet, die 1928 auch seitens der britischen Machthaber anerkannt wurde

    1921 n. Chr. / 5682
      • Adolf Hitler wird Vorsitzender der NSDAP

    1922 n. Chr. / 5683
      • Gründung der Sowjetunion. Die sowjetische Regierung gewinnt schnell die Sympathie der jüdischen Bevölkerung, da sie Antisemitismus unter Strafe stellte und Pogrome zu verhindern versuchte. Zugleich wurde jüdisches Leben in der Sowjetunion nun maßgeblich von der Kommunistischen Partei Russlands, den Bolschewiki, bestimmt und in letzter Instanz von Jüdinnen:Juden eine Assimilation in die den Staatskommunismus gefordert
      • Am 24. Juni 1922 / 5683 wird in Berlin Außenminister Walter Rathenau, der erste Jude in einem deutschen Ministeramt, von Attentätern der antisemitischen Organisation Consul Der Mord wird seitens der Bevölkerung verurteilt, es folgen große Demonstrationen

    1928 n. Chr. / 5689
      • In Frankreich gründen Zeugen der Schwartzbard Prozesse die LICRA, die Ligua Internationale Contre le Racisme et l’Antisémitisme. Zuvor hatte der jüdische Anarchist Scholom Schwartzbard den ehemaligen ukrainischen Politiker Symon Petljura aus Rache getötet, da er ihn für Pogrome an Jüdinnen:Juden verantwortlich gemacht wurde, denen auch Schwartzbards Familie zum Opfer fiel. Sein Verteidige Henry Torrès nutzen den Prozess zu einem öffentlichen Plädoyer gegen Antisemitismus. Schwartzbard wird freigesprochen und emigriert in die USA
      • Im britischen Mandatsgebiets Palästina fördert Mohammed Amin al-Husseini, ein islamisch-arabischer Nationalist, Mufti von Jerusalem und späterer Unterstützer des Nationalsozialismus, antisemitisches Gedankengut und Störaktionen gegen die jüdische Bevölkerung Palästinas

    1929 n. Chr. / 5690
      • In verschiedenen Städten im britischen Mandatsgebiet Palästina, etwa in Jerusalem, Hebron und Safet finden Pogrome an Jüdinnen:Juden durch Teile der arabischen Bevölkerung statt. Aus Hebron wird die jüdischen Gemeinschaft vollständig vertrieben

    1933 n. Chr. / 5694
      • Adolf Hitler wird zum deutschen Reichskanzler ernannt. Der Nationalsozialismus beginnt sich als politische Herrschaftsform zu konstituieren, die in erster Linie der vernichtungsantisemitischen Volksgemeinschaftsideologie folgt

    1934 n. Chr. / 5695
      • In Constantine, Algerien, kommt es zu einem antisemitischen Pogrom

    1935 n. Chr. / 5696

    Nürnberg (Deutschland), 15. September:

      • Der deutsche Reichstag verabschiedet die ‚Nürnberger Rassengesetze, die den Ausschluss von Jüdinnen:Juden aus der deutschen Gesellschaft juridisch begründen.
      • Es werden antisemitische Forschungsinstitute verschiedenster Disziplinen gegründet, um diesen ‚gesetzlichen Antisemitismus‘ auf allen Ebenen zu rechtfertigen

    1938 n. Chr. / 5699
      • Am 9. November 1938 finden Pogrome im ganzen Reichsgebiet statt. Diese Gewalteskalation markiert einen Wendepunkt in der Radikalität der antisemitischen Politik des Nationalsozialismus

    1933 – 1939 n. Chr. / 5694 – 5700
      • Etwa der Hälfte der deutschen Jüdinnen:Juden gelingt die Ausreise aus Deutschland

    1939 n. Chr. / 5700
      • Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September beginnt der Zweite Weltkrieg und radikalisiert sich der Krieg gegen die Sowjetunion auch zu einem Vernichtungskrieg gegen Jüdinnen:Juden

    1941 n. Chr. / 5702
      • In Bagdad, Irak, kommt es nach der Kriegsniederlage des Irak gegen Großbritannien zu einem antisemitischen Pogrom, dem Farhud

    1942 n. Chr. / 5703
      • Auf der Wannsehkonferenz organisieren, koordinieren und systematisieren Führungsfiguren des Nationalsozialismus die Shoah, die Vernichtung der europäischen Jüdinen:Juden im Detail

    1945 n. Chr. / 5706
      • In Oswiecim, Polen, entdeckt die 1. Division der Roten Armee der Sowjetunion am 27. Januar das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und befreit die Überlebenden
      • Am 8. Mai kapituliert die deutsche Wehrmacht bedingungslos, die Alliierten besiegen den Nationalsozialismus
      • Der 2. September datiert das Ende des von Deutschland verschuldeten Zweiten Weltkriegs. Weltweit sterben 60 Millionen Menschen, sechs Millionen Jüdinnen:Juden werden durch die Deutschen ermordet, allein eine Million von ihnen durch industriellen Massenmord in Auschwitz
    Bild aus Kinderbuch “Der Giftpilz”, 1938 n. Chr.
    Bild aus Kinderbuch “Der Giftpilz”, 1938 n. Chr.
    QUELLE BILD: Darstellung aus  einem Kinderbuch, in: Gilman, Sader L. (1995): Der jüdische Körper, Gedanken zum physischen Anderssein der Juden, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und MYthen, Wien, Seite 171
    Zeitschrift zum “Tag der Volkssolidarität”, 1945 n. Chr.
    Zeitschrift zum “Tag der Volkssolidarität”, 1945 n. Chr.
    QUELLE BILD: Titelblatt Zeitschrift, in: Bailer, Brigitte, (1995): “Alle haben gleich gelitten?”, Antisemitismus in der Auseinandersetzung um die soogenannte “Wiedergutmacheung”, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und MYthen, Wien, Seite 334

    Fußnoten

    1 Gottesmordmythos: angebliche unaufhebbare Kollektivschuld der Jüdinnen:Juden an der Kreuzigung Jesu (Die Gottesmordlegende: Grundlage für judenfeindliche Passionsdarstellungen über Jahrhunderte)

    2 Eigentümer von Schutzrechten hat Kontrolle und Pflichten über die verschiedenen Lebensbereiche der Schutznehmenden, z.B.: Zuständigkeit über Ansiedlung, Kontrolle über Steuerleistungen, Gewährleistung von Rechtsschutz, Erlass von Verboten und Geboten, Befugnis Vertreibung zuzulassen oder zu verbieten

    3 Ritualmord: Jüdinnen:Juden würden zur Osterzeit zur Verhöhnung der Passion Jesu einen christlichen Jungen in ritueller Form ermorden und dessen Blut zur Zubereitung des Mazzot (ungesäuertes Brot) verwenden

    4 In der Kammerknechtschaft gilt der Kaiser als oberster Schutzherr der Jüdinnen:Juden, er verwaltet ihr Recht auf Leib und Eigentum, ihre Rechte zur Aufnahme in einer Stadt und ihre Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung und Religionsausübung; er darf sie außerdem besteuern und vertreiben

    5 Lateran: päpstlicher Palast und Basilika in Rom; Konzil: Versammlung von Bischöfen und hohen Klerikern zum Erörtern und Entscheiden theologischer und kirchlicher Fragen

    6 Sachsenspiegel: deutsches Rechtsbuch aus 1224 n. Chr., es beinhaltet aufgezeichnete Rechtsregeln von Eike von Repchow

    7 Hostienschändung: Jüdinnen:Juden würden die Hostie, also den Leib Jesu, stehlen und zerstechen

    8 Edgardo Motara, ein jüdisches Kind in Italien, wird heimlich vom christlichen Dienstmädchen der Familie getauft. Als der Dominikanerpater davon erfährt, beauftragt er die örtliche Polizei damit, das Kind zu entführen, damit dieser christlich aufwächst. Motara wird zum Vatikan gebracht und steht dort unter dem persönlichen Schutz von Papst Pius IX., wodurch ein Streit zwischen der jüdischen Gemeinde, die seine Freilassung fordert, und der christlichen Gemeinde beginnt. Die Forderung bleibt erfolglos.

    9 Kraniometrie (Schädelmessung) und Anthropometrie (Maßverhältnisse am menschlichen Körper) wurden von Antisemiten benutzt, um in der Rassenideologie eine Über- oder Unterlegenheit von Menschen festzustellen.

    10 In Frankreich erschoss Scholom Schwartzbard den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Symon Petljura aus Rache, da Schwartzbard ihn für Pogrome und Massaker an den Jüdinnen:Juden (darunter auch seine Familie) verantwortlich machte. Sein Verteidiger Henry Torrès nutzte diesen Prozess für ein öffentliches Plädoyer gegen Judenverfolgungen. Schlussendlich wurde Schwartzbard freigesprochen.

    11 vgl. https://encyclopedia.ushmm.org/content/de/article/documenting-numbers-of-victims-of-the-holocaust-and-nazi-persecution


    Eine Antwort auf „Entwicklung der Judenfeindschaft bis 1945“

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