Beschreibung
In der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Pankratius in Beckum (Vellern), deren Ursprünge ins 12. Jahrhundert zurückreichen, befindet sich ein Taufstein, der auf die Mitte des 13. Jahrhunderts datiert wird .1 Dieser Taufstein zeigt in acht Reliefdarstellungen figürliche Motive, unter denen sich auch ein besonders prägnantes allegorisches Paar befindet: die Ecclesia und die Synagoga. Beide Figuren sind nicht nur durch ihre Attribute, sondern auch durch die über ihnen angebrachten Inschriften eindeutig zu identifizieren. Reproduziert wird durch diese Figuren christliche Judenfeindschaft in Form von Überlegenheitsphantasien gegenüber dem Judentum.
Die Ecclesia trägt eine Krone und hält einen Kelch in ihren Händen – ein Symbol, das unmittelbar auf Christus verweist. Sie steht in dieser Darstellung für die Kirche, die als rechtmäßige und herrschende Religion dargestellt wird. Im Gegensatz dazu ist die Synagoga mit einem sogenannten Judenhut bekleidet. Ihre Augen sind verbunden, ein seit dem Mittelalter häufig verwendetes Motiv, das dem Judentum symbolisch die „Blindheit“ gegenüber dem Christentum unterstellt. In ihrer rechten Hand hält sie einen nach unten gerichteten Stab mit einer an der Spitze befestigten, herabhängenden Fahne – ein unmissverständliches Zeichen der Niederlage. Auffällig ist außerdem, dass sie als einzige der acht Figuren keinen Heiligenschein trägt, was als Zeichen eines unterstellten Fehlens göttlichen Segens und heiliger Würde gelesen werden muss.2

Diese Darstellung ist ein klassisches Beispiel der mittelalterlichen Theologie, die einen vermeintlichen christlichen Triumph über das Judentum visuell inszeniert. Die Symbolik des Figurenpaares Ecclesia und Synagoga diente im Mittelalter der Festigung der Vorstellung, dass Gott seinen Bund mit den Juden aufgekündigt und auf die Kirche übertragen habe. Die Synagoga erscheint in dieser Konzeption als abgewertet, unterlegen und gescheitert.

Das Figurenpaar ist damit eindeutig als Ausdruck judenfeindlicher christlicher Theologie zu werten. Es spiegelt eine Überlegenheitsvorstellung wider, deren Wurzeln sich bis in die frühe Kirchengeschichte, etwa bei Tertullian, zurückverfolgen lassen. Solche Darstellungen bezeugen eine lange Tradition religiös motivierter Judenfeindschaft, die weit über das Mittelalter hinauswirkt. Sie haben eine Deutungsmacht entfaltet, die bis in die Neuzeit reicht und auch heutige antisemitische Haltungen mitgeprägt hat.
Vor Ort bedarf es einer klaren Kontextualisierung dieser Darstellung sowie einer unmissverständlichen Distanzierung von ihrer judenfeindlichen Botschaft, um ihrer Wirkung im öffentlichen Raum verantwortungsvoll zu begegnen.
Fußnoten
1 vgl. BAPTISTERIA SACRA INDEX (BSI): Vellern nr. Beckum, UNIVERSITY OF TORONTO AND CRITICAL DIGITAL HUMANITIES INITIATIVE, in: https://baptisteriasacraindex.ca/font-search/font-record/11545VEL/, Stand: 29.7.2025; vgl. Bewermeier, Ingrid (15.11.2007): Der Boker Taufstein, ein Kleinod westfälischer Romanik: Vergleiche mit verwandten Exemplaren erlauben Rückschluss auf das ursprüngliche Aussehen, in: damals & heute: Informationen zu Geschichte, Natur und Heimatpflege aus Delbrück, Seite 2-4
2 vgl. Strotdrees, Gisbert (2024): Jüdisches Landleben, Vergessene Welten in Westfalen, Münster, Seite 18-19


