Judenfeindliche Steinfiguren Ecclesia & Synagoga, röm.-kath. Kirche St. Lamberti, Münster

Beschreibung

Das eher unauffällige und kleine Lambertiportal an der südlichen Chorseite der zwischen 1375 und 1525 erbauten röm.-kath. Kirche St. Lamberti in Münster zeigt zwei judenfeindliche Steinfiguren Ecclesia und Synagoga aus dem Jahr 1910, welche eine christliche Überlegenheitsphantasie ausdrücken.


Mit diesen Darstellungen zitiert das 20. Jahrhundert ein Motiv, welches bereits im Mittelalter in und an Kirchen zu finden war und sich inhaltlich bereits bei Tertullian nachweisen lässt. Hier zeigt sich die abwertende Theologie, wie die Alttestamentlerin Maria-Theres Wacker in ihren Arbeiten zum Motiv von Ecclesia und Synagoga im späten 19. Und frühen 20. Jahrhundert nachweist. „Mitten in der Moderne, mitten in der Zeit des Deutschen Kaiserreichs, in einer Zeit, da Juden politisch und rechtlich gleichgestellt waren, in einer Zeit aber auch des aufkommenden politisch-wirtschaftlichen Antisemitismus, wird in St. Lamberti in Münster […] eine Botschaft ins Bild gesetzt, die auch und gerade bei Christen Judenfeindschaft – im Sinne eines „gerechten“ Antisemitismus – schüren konnte.“1

Judenfeindliche Konsolfigur (A), Kirche Mariä Heimsuchung, Warburg (Altstadt)

Ecclesia steht allegorisch für die christliche Kirche. Sie ist dargestellt als Frau mit gekrönten und aufrechten Haupt. In ihrer rechten Hand hält sie einen Stab, der an seinem oberen Ende ein Kreuz zeigt. In ihrer linken Hand hält sie einen Kelch. Beides Symbole, die direkt auf Christus verweisen.  In dieser Darstellung soll Ecclesia die herrschende, würdige und rechtmäßige Religion symbolisieren.

Synagoga repräsentiert hier das Judentum. Ihr Haupt ist bedeckt mit einem Tuch. Ihre Augen sind verbunden, wodurch eine dem Judentum unterstellte Blindheit ausgedrückt werden soll. Die Figur der Synagoga hält in der linken Hand einen zerbrochenen Stab, der für eine beendete Herrschaft steht. In der rechten Hand hält sie eine Schriftrolle mit den hebräischen Schriftzeichen תּוֹרָה für „Torah“.

Seit dem Jahr 2016 befindet sich neben dem Lambertiportal eine Hinweistafel, die zu der judenfeindlichen Gegenüberstellung von Ecclesia und Synagoga Stellung nimmt. Auf dieser Tafel heißt es: “Durch solche und ähnliche figürliche Gegenüberstellungen von Ecclesia und Synagoga wurden Juden von Christen über Jahrhunderte auf schmerzliche Weise herabgewürdigt. Im Sinne des 2. Vatikanischen Konzils distanziert sich die Kirche heute von dieser antijüdischen Sichtweise. Die katholische Kirchengemeinde St. Lamberti setzt sich gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Münster dafür ein, dass Würde und Rechte aller Menschen gewahrt werden.”2

Fußnoten

1 Zitat: Wacker, Marie-Theres (2005): Gottes erste Liebe, Christliche Wahrnehmungen des Judentums in Münster, Seite 49 ff., online verfügbar: https://www.academia.edu/83643880/Gottes_erste_Liebe_Christliche_Wahrnehmungen_des_Judentums_in_M%C3%BCnster, Stand: 5.6.2024; zitiert nach: Bußler, Wolfgang (2021): Ecclesia und Synagoga und der Mönchengladbacher Tragaltar, Judentum und Christentum in Kunst und Kirche, Mainz, Seite 92
2 vgl. Loy, Johannes (8.10.2016): “Steine des Anstoßes” im neuen Licht, Westfälische Nachrichten, in: https://www.wn.de/muenster/kultur/steine-des-anstosses-in-neuem-licht-1597903?&npg, Stand: 5.6.2024

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