RIAS NRW Jahresbericht 2023: Zahl der dokumentierten antisemitischen Vorfälle in NRW um das Zweieinhalbfache gestiegen – 7. Oktober als Zäsur

Drei Personen stehen vor der Kulisse einer Pressekonferenz und halten Broschüren in der Hand. Sie sind förmlich gekleidet und posieren für die Kamera. Im Hintergrund ist die PRESSEKONFERENZ NRW zu sehen, dahinter stehen ein Konferenztisch und Stühle. ( )

664 antisemitische Vorfälle erfasste die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023. Das entspricht einer Steigerung von 152 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (264 Vorfälle). Durchschnittlich wurden 13 Vorfälle pro Woche registriert, im Jahr 2022 waren es noch fünf Vorfälle pro Woche. Insbesondere seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober zeigte sich der Antisemitismus enthemmter und beeinträchtigte zunehmend das alltägliche jüdische Leben.

„RIAS NRW Jahresbericht 2023: Zahl der dokumentierten antisemitischen Vorfälle in NRW um das Zweieinhalbfache gestiegen – 7. Oktober als Zäsur“ weiterlesen

Judenfeindliche Kirchenfenster Ecclesia & Synagoga, röm.-kath. Kirche St. Johannes, Coesfeld-Lette

Luftaufnahme einer großen Steinkirche mit einem hohen zentralen Turm, umgeben von Wohnhäusern, grünen Bäumen und Straßen in einem Vorort. ( )

Beschreibung

Zwei Kirchenfenster in der 1914 geweihten röm.-kath. Kirche St. Johannes in Lette (Coesfeld) sind eindeutig als judenfeindliche Darstellungen christlicher Theologie zu identifizieren: Ecclesia und Synagoga, zwei allegorische Figuren, welche eine christliche Überlegenheit gegenüber dem Judentum kennzeichnen sollen. Eine Überlegenheitsphantasie, die sich schon bei Tertullian nachweisen lässt.

„Judenfeindliche Kirchenfenster Ecclesia & Synagoga, röm.-kath. Kirche St. Johannes, Coesfeld-Lette“ weiterlesen

Treffen der Kooperationspartner von spuren-sichtbar-machen.de in Höxter

Drei Männer stehen vor einem beigen Gebäude in der Nähe eines Fensters und eines Schildes mit der Aufschrift Diakonie. Sie sind leger gekleidet und scheinen für ein Gruppenfoto auf einem kopfsteingepflasterten Weg zu posieren. ( )

Am 17.4.2024 trafen sich drei der vier Kooperationspartner des Projektes spuren-sichtbar-machen.de in den Räumen der Diakonie Paderborn-Höxter e.V. in Höxter. Das Projekt wird getragen von ADIRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit der Jüdischen Gemeinde Dortmund), SABRA (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf), RIAS NRW (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Nordrhein-Westfalen) und der ada.kreis-höxter (Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit der Diakonie Paderborn-Höxter e.V.). Gemeinsam blickten die Teilnehmer des Treffens zurück auf das erste Jahr des Bestehens dieses Projekts, welches Beiträge zur Dokumentation und Kontextualisierung judenfeindlicher Objekte leistet.

„Treffen der Kooperationspartner von spuren-sichtbar-machen.de in Höxter“ weiterlesen

Judenfeindliche Prozessionsdarstellungen, Kapelle Forum Misericordia in Paderborn (Marienloh)

Beschreibung

Die inzwischen abgehängten Kreuzwegbilder des Malers Wilhelm Sommer in der römisch-katholischen Kirche St. Georg waren leider nicht die einzigen antisemitischen Werke dieses Urhebers, die in Paderborn existieren. In einer Privatkapelle im Ortsteil Marienloh finden sich sehr ähnliche Objekte aus dem Jahr 1926. Die hier besprochenen Werke gehören zur Privatsammlung Ochsenfarth1 und können auf deren Internetseite eingesehen werden.

„Judenfeindliche Prozessionsdarstellungen, Kapelle Forum Misericordia in Paderborn (Marienloh)“ weiterlesen

Ein Jahr spuren-sichtbar-machen.de

Ein Schild auf Deutsch an einer Wand mit der Aufschrift Servicestelle für Antidiskriminierungsarbeit enthält einen QR-Code, Logos und erwähnt die Integrationsagenturen NRW und das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales. ( )

Am 27. März 2024 jährt sich das Release von spuren-sichtbar-machen.de zum ersten Mal. Das ist ein guter Anlass zu einem Rückblick auf die vergangenen zwölf Monate. Seit der Veröffentlichung der Seite wurde diese von mehr als dreitausend Personen aufgerufen. Damit ist spuren-sichtbar-machen.de mit Abstand das Projekt mit der größten Reichweite bei ada.kreis-höxter.

„Ein Jahr spuren-sichtbar-machen.de“ weiterlesen

Die Gottesmordlegende: Grundlage für judenfeindliche Passionsdarstellungen über Jahrhunderte

Antijüdische Darstellung der Kreuzigung Christi. Katharinenkapelle in Landau in der Pfalz, nach 1350

Beschreibung

Das Projekt spuren-sichtbar-machen.de mit Beiträgen zur Dokumentation und Kontextualisierung judenfeindlicher Objekte ist seit März 2023 online. Begonnen hatte alles mit judenfeindlichen Inschriften auf zwei Kreuzwegstationen in Willebadessen. Über die Meldefunktion der Webseite sind uns seit der ersten Veröffentlichung mehr als hundert weitere Objekte gemeldet worden. Bei der Analyse der Meldungen zeigt sich, dass insbesondere Kreuzwegstationen sehr häufig judenfeindliche Botschaften transportieren. Ursache und immer wiederkehrendes Motiv ist hier die Gottesmordlegende. Noch 2012 ergab eine Umfrage, dass 14 Prozent der Deutschen glauben, dass Jüdinnen:Juden für den Tod Jesu verantwortlich sind. In den USA steigt diese Zahl sogar und lag 2016 bei 31 Prozent.1 Vor diesem Hintergrund ist es geboten, sich mit der Entstehung und Entwicklung dieser Legende genauer zu befassen. Der Ausdruck Gottesmord bezeichnet in der Kirchengeschichte eine angebliche unaufhebbare Kollektivschuld der Jüdinnen:Juden an der Kreuzigung des Jesus von Nazareth, der dabei als Sohn Gottes angesehen wird. Der Begriff entstand im Jahr 160 aus einer Aussage des Bischofs Melito von Sardes: „Gott ist ermordet worden.“2 Der Beginn dieser Legende liegt jedoch noch weiter zurück. 

„Die Gottesmordlegende: Grundlage für judenfeindliche Passionsdarstellungen über Jahrhunderte“ weiterlesen

Reproduktion judenfeindlicher Mythen in Kreuzwegreliefs, St. Kilian, Büren (Brenken)

Nahaufnahme eines Steinreliefs mit drei menschlichen Figuren, zwei im Hintergrund mit ausdrucksstarken Gesichtern und einer unscharfen Figur im Vordergrund, die alle sehr detailliert geschnitzt sind. ( )

Beschreibung

Das Todesurteil gegen Jesus von Nazareth wurde vom römischen Statthalter Pontius Pilatus gefällt und von römischen Soldaten ausgeführt. Gleichzeitig finden sich in der christlichen Ikonografie immer wieder Botschaften, dass Juden als treibende Kraft im Hintergrund darauf hinwirkten. Letztlich handelt es sich dabei um eine Darstellungsform der Gottesmordlegende. Diese wird häufig auf Kreuzwegen reproduziert. Die Kreuzwegstationen in der römisch-katholischen Kirche St. Kilian in Brenken (Büren) sind ein Beispiel hierfür.

„Reproduktion judenfeindlicher Mythen in Kreuzwegreliefs, St. Kilian, Büren (Brenken)“ weiterlesen

Judenfeindliche Darstellungen auf Kreuzwegstationen, röm.-kath. Kirche St. Cyriakus, Lichtenau (Kleinenberg)

Ein bärtiger Ältester in einem Gewand zeigt streng auf einen verzweifelten Mann, während ein anderer Mann in Grün überrascht aufblickt; dramatische Wolken und Lichtstrahlen füllen den Hintergrund. ( )

Beschreibung

Die kanonischen Evangelien identifizieren drei Gruppen, die in unterschiedlichem Maße an der Festnahme, Verurteilung, Auslieferung und Kreuzigung Jesu beteiligt waren: die Römer als militärische Besatzungsmacht, der Sanhedrin als höchste Religionsbehörde des damaligen Judentums und die Anhänger der Sadduzäer in Jerusalem. Die im Wesentlichen übereinstimmenden Textpassagen lassen keinen Zweifel daran, dass der römische Statthalter Pontius Pilatus und seine Soldaten für die Hinrichtung Jesu verantwortlich waren. Im Gegensatz dazu vermitteln die Kreuzwegstationen in der Kirche St. Cyriakus in Lichtenau den Mythos des Gottesmordes durch “die” Juden.

„Judenfeindliche Darstellungen auf Kreuzwegstationen, röm.-kath. Kirche St. Cyriakus, Lichtenau (Kleinenberg)“ weiterlesen

Judenfeindliche Passionsdarstellungen, röm.-kath. Pfarrkirche St. Pankratius, Gescher

Ein stilisiertes, kantiges Kunstwerk zeigt eine Figur, die die Hand einer anderen Person an ein Holzkreuz nagelt. Die untere Figur trägt eine Dornenkrone und blutet aus Kopf und Hand. Unter dem Bild steht die römische Zahl XI. ( )

Beschreibung

„Gierig greifen Krallenfinger nach Jesu Mantel. Stierende Augen, eine Hakennase, ein falsches Lächeln auf den Lippen lassen das Gesicht des Mannes, der da so ungeniert auf den an der Dornenkrone leidenden und aus Kopfwunden blutenden Christus blickt, durch und durch unsympathisch erscheinen.“1 So beschrieb Helene Wentker 2016 die sich antisemitischer Stereotypen bedienenden Kreuzwegbilder in der röm.-kath. Pankratius-Pfarrkirche in Gescher. Sie wurden 1935 von Bernd Terhorst als Auftragsarbeit geschaffen. Diese Darstellungsformen entsprechen den nationalsozialistischen Rassenvorstellungen voll und ganz.

„Judenfeindliche Passionsdarstellungen, röm.-kath. Pfarrkirche St. Pankratius, Gescher“ weiterlesen

Der brennende Judas – Antisemitisches Osterbrauchtum in Nordrhein-Westfalen

Ein großer Haufen aus Ästen und Gestrüpp steht auf einem Feld, an dessen Spitze ein Holzpfahl steht, an dem eine Vogelscheuchen-ähnliche Figur hängt. Die Szene spielt sich vor einer Kulisse aus Bäumen und Hügeln unter einem klaren Himmel ab. ( )

Kein Objekt im materiellen Sinn, aber dennoch eine Spur judenfeindlicher Einstellungen ist der in vielen Regionen weltweit gängige Brauch, zu Ostern eine Judaspuppe zu verbrennen. Dieser Brauch begegnet uns auch in Westfalen. In einer Broschüre für die SABRA (Antidiskriminierungsberatungstelle in Trägerschaft der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf) von 2021 konnten sieben bzw. fünfzehn Belegorte aus dem Landkreis Olpe bzw. dem Märkischen Kreis für das 21. Jahrhundert ausfindig gemacht werden. Vereinzelt findet sich der Brauch auch in anderen westfälischen Regionen. Dabei ist die Ausgestaltung immer dieselbe: Am Ostersonntag wird ein Scheiterhaufen aufgerichtet, auf dem eine Puppe oder ein Baumstamm angebracht und verbrannt werden. Diese Puppe oder dieser Stamm werden in der Regel, wenn auch nicht immer, mit Judas Iskariot identifiziert, dem biblischen Verräter Jesu. Der Brauch trägt den schlichten Titel „Osterfeuer“ oder im niederdeutschen Dialekt „Poskefuier“, in unterschiedlichen Schreibweisen. Allerdings wird längst nicht auf jedem Osterfeuer eine Judaspuppe verbrannt.

„Der brennende Judas – Antisemitisches Osterbrauchtum in Nordrhein-Westfalen“ weiterlesen