Zweck des Projektes spuren-sichtbar-machen.de ist die Dokumentation und Kontextualisierung judenfeindlicher Objekte. Über die Meldefunktion der Seite wurden wir auf entsprechende Darstellungen in der römisch-katholischen Kirche St. Dionysius in Thülen (Brilon) aufmerksam gemacht. Diese judenfeindlichen Objekte sind hier dokumentiert und kontextualisiert.
Bei der Sichtung der Objekte vor Ort ist uns zudem eine Spendendose vor der Krippe aufgefallen. Sie stellt einen Schwarzen Menschen dar, der in die Knie gegangen ist und die Hände geöffnet gegenüber der betrachtenden Person hält. Durch die Farbgebung der Lippen werden diese im Gesicht der Figur besonders hervorgehoben. In ihrer gesamten Erscheinung erinnert die Spendendose in St. Dionysius an Spendendosen im Missionsstil und reproduziert rassistische Stereotype.
Die Gestik der Figur entspricht der Bitte um Geld, die Körperhaltung erinnert an Unterwürfigkeit. Zudem zeigt die Physiognomie der Figur eine rassistisch-klischeehafte Darstellung, indem die Lippen des Schwarzen Menschen leicht überzeichnet dargestellt werden. Diese Symbolik wurde in kolonialer Kunst und in der Darstellung von sogenannten „exotischen“ Menschen verwendet, um sie als „anders“ oder „minderwertig“ zu kennzeichnen.
Durch diese Darstellung vermittelt/verstärkt die Spendendose an die Betrachtenden eine bestimmte Erzählung: Menschen im globalen Süden leben in Armut und Not, sind auf die Hilfe und Gutmütigkeit der Weißen aus dem globalen Norden angewiesen, um zu überleben. Aus diesem Grund sollten sie für Spenden und Zuwendungen Dankbarkeit zeigen („Vergelts Gott“). Diese Haltung weißer Menschen gegenüber nicht-weißen Menschen z.B. in Afrika und daraus resultierende Handlungen werden als auch als “white saviorism” bezeichnet. Eine weitergehende Auseinandersetzung mit der Thematik im Bereich Kirche findet sich hier.
Leider ist diese Sichtweise in der deutschen Gesellschaft immer noch weit verbreitet und wird tagtäglich z.B. durch die Berichterstattung in den Medien reproduziert. So wird z.B. der Kontinent Afrika nicht annähernd in seiner Vielfalt dargestellt. In der Wahrnehmung der Menschen kommt vor allem an, Afrika sei ein Kontinent der Krisen, Kriege und Krankheiten. Zweifelsohne lassen sich dafür Beispiele finden, aber dies ist bei weitem nicht die einzige Realität vor Ort. Zudem besteht zu wenig Bewusstsein darüber, dass die Probleme in Afrika oft ein Erbe der Kolonialzeit und der wirtschaftlichen Interessen des globalen Nordens sind. Durch das Bild des dankbaren, unterwürfigen Schwarzen Menschen wird nicht dazu angeregt, über die Verantwortung Europas nachzudenken und daraus entsprechende Schlüsse zu ziehen.
Aufwendig gestaltete Krippen ziehen häufig insbesondere junge Kinder an. In diesem Kontext stellt sich die Frage, wie eine solche Spendendose ihre Wahrnehmung von Schwarzen Menschen beeinflussen kann. Die Gefahr besteht, dass Kinder lernen, Menschen aus dem globalen Süden als passive Bittstellende wahrzunehmen, die von unserer Gutmütigkeit abhängig sind und nicht aktiv ihr Leben gestalten.
Es ist daher wichtig, kritisch über Spendendosen im Missionsstil nachzudenken und entsprechend zu handeln. Sie sind nicht mehr zeitgemäß und gehören nicht in die Öffentlichkeit, da sie die Gleichwertigkeit aller Menschen untergraben.
Eine Antwort auf „Reproduktion rassistischer Stereotypen gegenüber Schwarzen als Nebenbefund bei Sichtung judenfeindlicher Darstellungen“
Die Kommentare sind geschlossen.