Die Projektpartner von spuren-sichtbar-machen.de – ada.kreis-höxter, ADIRA, SABRA und RIAS-NRW – begrüßen ausdrücklich die im März 2025 veröffentlichten Leitlinien “…und jetzt?” der evangelischen Landeskirchen und römisch-katholischen (Erz-)Bistümer zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchenräumen. Anlass für die Veröffentlichung sind zahlreiche immer noch existente judenfeindliche Objekte in und an Kirchengebäuden, die vermehrt zu Diskussionen, aber auch Abwehr führen. Die Leitlinien sollen daher Unterstützung für die kritische Auseinandersetzung mit den Bildwerken für kirchengemeindliche Gremien als auch in Fachkreisen bieten. Die Publikation stellt somit einen wichtigen Schritt zur Vergegenwärtigung der jahrhundertelangen Tradition des christlichen Antijudaismus dar und erkennt deren bis heute andauernde Wirkung an.
Das Projekt spuren-sichtbar-machen.de nimmt sich diesem Thema seit mehreren Jahren an und dokumentiert judenfeindliche Objekte an Kirchen in Nordrhein-Westfalen. Diese Arbeit ist von zentraler Bedeutung, weil die überwiegende Mehrheit judenfeindlicher Objekte nach wie vor nicht kontextualisiert ist. Das Projekt hat daher die Sichtbarmachung der flächendeckender Verbreitung solcher Objekte zum Ziel. Zudem bietet es eine Plattform zur kritischen Auseinandersetzung, auch wenn die jeweilige Kirchengemeinde sich (noch) nicht mit dem Thema befassen möchte. Insofern bietet das Projekt einen Ansatz von unten nach oben – auch unter Beteiligung von Antidiskriminierungsberatungsstellen in jüdischer Trägerschaft sowie einer Recherche- und Informationsstelle zu Antisemitismus.
Hingegen können veröffentlichen Leitlinien als top-down-Handlungsempfehlung von kirchlichen Institutionen verstanden werden und somit als sinnvolle Erweiterung für die kritische Auseinandersetzung. Für die Publikation positiv hervorzuheben ist die Benennung des Umstandes, dass der christliche Antijudaismus den modernen Antisemitismus mitgeprägt hat und noch immer Einfluss nimmt. Zudem wird das klare Bekenntnis zur Treue Gottes zum Volk Israel betont, ebenso wie die Erkenntnis, dass judenfeindliche Bildwerke in Kirchen nicht bloß “historische Artefakte” sind, sondern bis heute verletzende und herabwürdigende Botschaften transportieren. Wichtig ist auch die Feststellung, dass selbst nach der Shoah noch judenfeindliche Bildwerke angebracht wurden. Wir betrachten es ebenso als gelungen, dass der Ansatz verfolgt wird, individuelle Lösungen zum Umgang mit judenfeindlichen Objekten vor Ort unter Beteiligung der ortsansässigen jüdischen Gemeinden und staatlichen Stellen zu erarbeiten.
Trotz dieser positiven Aspekte sehen wir auch einzelne kritische Punkte in den Leitlinien. So wird der enge historische Zusammenhang zwischen judenfeindlichen Bildwerken und realen Gewalttaten an Jüdinnen und Juden nicht hinreichend herausgestellt. Antijüdische Pogrome fanden oft in unmittelbarem Anschluss an mit judenfeindlichen Objekten in Verbindung stehenden christlichen Ritualen statt, etwa nach Karfreitagsprozessionen. Zudem beschränken sich die Leitlinien ausschließlich auf judenfeindliche Objekte in kirchlichem Besitz, während das Projekt spuren-sichtbar-machen.de auch judenfeindliche Objekte in kommunalem Besitz erfasst und sichtbar macht. Gleichzeitig bedeutet die Veröffentlichung der Leitlinien nicht, dass das Thema damit umfassend bearbeitet ist, was die Herausgeber:innen aber auch nicht in Anspruch nehmen. Sie will vielmehr eine Handlungsempfehlung zum individuellen Umgang mit entsprechenden Objekten sein.
Angesichts des – auch in den Leitlinien erwähnten – nicht immer unerheblichen Widerstands einzelner Kirchen und Fachgremien beim Umgang mit den Objekten, muss allerdings auch die Frage gestellt werden, ob die Veröffentlichung von Handlungsempfehlungen ausreichend sind, um dem Problem zu begegnen.
Insgesamt sind Leitlinien “…und jetzt?” jedoch ein notwendiger Schritt in die richtige Richtung, auch wenn einzelne Aspekte noch besser hätten dargestellt werden können. Das Projekt spuren-sichtbar-machen.de bleibt daher ein unverzichtbarer Bestandteil der Auseinandersetzung mit judenfeindlichen Objekten und wird weiterhin einen kritischen und nachhaltigen Beitrag zur Aufarbeitung leisten.
Katholische (Erz-)Bistümer und evangelische Landeskirchen in Nordrhein-Westfalen (Hg.) (32025): …und jetzt? Leitlinien zum Umgang mit antijüdischen Bildwerken in und an Kirchenräumen, Düsseldorf, in: https://www.erzbistum-paderborn.de/wp-content/uploads/sites/6/2025/03/Leitlinie_AJBIK_2025.pdf, Stand: 2.4.2025