Entwicklung der Judenfeindschaft bis 1945

In diesem Beitrag wird die Entwicklung der Judenfeindlichkeit dargestellt, angefangen mit den frühesten bekannten Ereignissen. Er entstand im Rahmen eines Praktikums zum Studium der Sozialen Arbeit. Dem Umfang dieser Arbeit geschuldet endet diese Zeitleiste 1945, jedoch endeten mit der Shoah weder Judenfeindschaft noch Antisemitismus. Aktuelle Vorfälle von Judenfeindschaft dokumentiert und erforscht der Bundesverband RIAS e.V. , der unter anderem jährliche Berichte über antisemitische Vorfälle publiziert.

vor dem Jahr 0
0 – 3761
586 v. Chr. / 3261
  • Besonderheiten der jüdischen Religiosität und Unangepasstheit an das nichtjüdische Umfeld bringt viel Aufmerksamkeit, diese führt zu Bewunderung, aber auch Ablehnung
  • der erste jüdische Tempel wird durch Babylonier zerstört, die jüdische Bevölkerung wird ins Exil verschleppt
1. Jahrhundert
3761 – 3861
38 n. Chr. / 3799
  • in Alexandria findet das erste Pogrom der Geschichte statt, ausgeführt von Ägyptern und Griechen und provoziert durch eine angespannte Lage innerhalb des Landes, sowie den Besuch des jüdischen Königs Agrippa I.

70 n. Chr. / 3831
  • der jüdischer Tempel in Jerusalem wird durch die römische Besatzungsmacht in Brand gesetzt und geplündert, es kommt zum Verlust des kulturellen und religiösen Zentrums
  • ca. ein Drittel der Gebote der Tora sind nicht mehr praktizierbar, da sie im Zusammenhang mit dem Tempel stehen
Darstellung Plünderung des Tempels
Darstellung Plünderung des Tempels
Quelle Bild: Buhrow, Tom (2020): WDR, 30. August 70 – Zerstörung des Tempels von Jerusalem, in: https://www1.wdr.de/stichtag/stichtag-zerstoerung-tempel-jerusalem-100.html, Stand 08.08.2024
4. Jahrhundert
4061 – 4161
ca. 310 n. Chr. / 4071

Konstantin der Große, ein großer Befürworter und Förderer des Christentums, lässt sich als erster römischer Kaiser noch auf seinem Sterbebett taufen.

5. Jahrhundert
4161 – 4261
439 n. Chr. / 4600

Codex Theodosianus:

  • Jüdinnen:Juden wird zum ersten Mal ein offizieller Status zugeschrieben, sie haben jedoch einen eingeschränkten und untergeordneten Platz in der Gesellschaft
  • Jüdinnen:Juden werden als das “Zeugenvolk” und “Relikte der Vergangenheit” bezeichnet
6. Jahrhundert
4261 – 4361
534 n. Chr. / 4295

Abschnitte aus dem Corpus Iuris Civilis (Kodifikation des römischen Rechts) im Bezug auf Jüdinnen:Juden:

  • Verbot, nichtjüdische Sklaven:Sklavinnen zu erwerben, auf Beschneidung von Sklaven:Sklavinnen steht die Todesstrafe
  • Verbot der Heirat mit christlichem Partner:innen
  • weitgehende Berufsverbote
7. Jahrhundert
4361 – 4461
ca. 612 n. Chr. / 4373
  • Entstehung des Islam: Mohammed hofft von Jüdinnen:Juden in Medina als neuer Prophet empfangen zu werden, diese lehnen ihn jedoch ab
  • Mohammed übernimmt die Macht in Medina, Nicht-Muslime erhalten den besonderen Status “Dhimma” (= Unterwerfung, Schutz) → erlaubt ihnen die Religionsausübung bei Zahlung einer Sondersteuer (“Jizya”)

632 n. Chr. / 4393
  • der Islam expandiert über drei Kontinente, zur besseren Kontrolle des großen Gebiets wird Dhimma im “Pakt von Umar” festgeschrieben
  • jüdische und christliche Bevölkerung muss ein Erkennungszeichen tragen, Pferde reiten und Waffen tragen ist ihnen untersagt und ihre Gotteshäuser dürfen nicht so hoch wie die Moscheen gebaut sein
Initiale O mit erster Darstellung der “Ecclesia”, um 850 n. Chr.
Initiale O mit erster Darstellung der  “Ecclesia”, um 850 n. Chr.
Quelle Bild: Initiale O im Sacramentarium des Drogo, in: Raddatz, Alfred (1955): Zur Geschichte eines christlichen Bildmotivs, Ecclesia und Synagoge, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 54
8. Jahrhundert
4461 – 4561
780 n. Chr. / 4541

Gesetze durch Karl den Großen:

  • Kleidervorschriften für Jüdinnen:Juden zur Abhebung von christlicher Bevölkerung
  • Verbote bestimmter Aktivitäten und Berufe
9. Jahrhundert
4561 – 4661
825 n. Chr. / 4586

Privilegien für Jüdinnen:Juden von Ludwig dem Frommen:

  • Schutzbrief befreit von Zöllen auf ausländische Sklaven
  • erlaubt die Haltung von christlichen Dienstboten
  • Schutz vor Anfeindungen, Bedrohungen und Gottesurteilen
Die Synagoge Satans, um 800 n. Chr.
Die Synagoge Satans, um 800 n. Chr.
Quelle Bild: Schreckenberg, Heinz (1999): Christliche Adversus-Judaeus-Bilder, das Alte und Neue Testament im Spiegel der christlichen Kunst, Frankfurt am Main, S. 40
11. Jahrhundert
4761 – 4861
1090 n. Chr. / 4851

Privilegienbriefe durch Kaiser Heinrich IV. beinhaltet Schutzbestimmungen für Jüdinnen:Juden:

  • keine Vermögensbeeinträchtigung
  • ungehinderter Handel ohne Zollabgabe
  • Verbot von Zwangstaufen

1095 n. Chr. / 4856

Papst Urban II. ruft zum Kreuzzug auf, um Jerusalem zurückzuerobern, da es kurz vorher von muslimischen Herrschern eingenommen wurde

  • das Töten aller Feinde wird erlaubt
  • Prediger hetzen gleichzeitig gegen Jüdinnen:Juden und reaktivieren den Gottesmordmythos1

1096 n. Chr. / 4857

Kreuzzugpogrome: auf dem Weg nach Jerusalem finden Ausschreitungen gegenüber Jüdinnen:Juden in neuen Ausmaßen statt, hauptsächlich angetrieben durch religiöse Motive

  • Jüdinnen:Juden seien innere Feinde der Kirche und müssen bekehrt werden, man nehme Rache für Jesus von Nazareth
12. Jahrhundert
4861 – 4961
1103 n. Chr. / 4864

Jüdinnen:Juden werden im Heiligen Römischen Reich in den allgemeinen Landfrieden aufgenommen und zu schutzbedürftigen Personen erklärt.


1120 n. Chr. / 4881

Die Kirche versucht ebenfalls Jüdinnen:Juden zu schützen, um Schutzrechte2 zu gewinnen, aber steht damit im Konflikt mit dem Kaiser.


1144 n. Chr. / 4905

Norwich (England):

  • ortsansässige Jüdinnen:Juden werden beschuldigt einen am Ostersamstag erstochen aufgefundenen 12-jährigen Jungen ermordet zu haben, wodurch der Ritualmordvorwurf3 entsteht

1146 n Chr. / 4907

Das Verhältnis vom Volk zur jüdischen Bevölkerung ist grundsätzlich schützender geworden als noch zu den Zeiten der Kreuzpogrome 1096.


Mitte 12. Jh. / zwischen 4927-4961
  • wirtschaftlicher Auftrieb und Verdopplung der Bevölkerung in Deutschland
  • chronische Geldknappheit bei stetem Geldbedarf macht Darlehen von Jüdinnen:Juden unentbehrlich

ab. ca. 1160 / 4921

Jüdinnen:Juden werden in der christlichen Kunst durch Attribute wie den Judenhut, dunklere Haut, kleinere Körpergröße und eine krumme Nase charakterisiert.


letztes Drittel 12. Jh. / zwischen 4927-4961
  • eine große Distanzierung zwischen ausschließlich christlichen Kaufleuten und Handwerkern und jüdischen Darlehensgebern führt schlussendlich zu tödlichen Übergriffen
  • es erfolgt die Gründung der Kammerknechtschaft4
Kreuzigung Christi durch Juden, 1166 n. Chr.
Kreuzigung Christi durch Juden, 1166 n. Chr.
Quelle Bild: Schreckenberg, Heinz (1999): Christliche Adversus-Judaeus-Bilder, das Alte und Neue Testament im Spiegel der christlichen Kunst, Frankfurt am Main, S. 89
13. Jahrhundert
4961 – 5061
1215 n. Chr. / 4976

vier Punkte aus dem vierten Laterankonzil5 beziehen sich auf Jüdinnen:Juden:

  • 67. Vorwurf des Wucherns
  • 68. Kennzeichnung von Jüdinnen:Juden
  • 69. Ausschluss von Ämtern
  • 70. Verbot nach einer Taufe zum jüdischen Glauben zurückzukehren

Ziel ist die öffentliche Trennung der jüdischen von der christlichen Bevölkerung


1224 n. Chr. / 4985
  • in verschiedenen kaiserlichen Urkunden werden Jüdinnen:Juden die Privilegien von 1090 und die Aufnahme in den Landfrieden 1103 bestätigt
  • Sachsenspiegel6: Gewalt gegen Jüdinnen:Juden wird mit der Enthauptung bestraft, jedoch nur, wenn die Angegriffenen unbewaffnet waren

→ Juden sollen keine Waffen mehr tragen, da ansonsten der besondere Schutz des Königs entfällt. Sie werden somit Knechten und Unfreien gleichgestellt, womit ihr soziales Prestige sinkt, da nur der waffenfähige Mann von der Rechtsordnung voll anerkannt wird.


1235 n. Chr. / 4996

Fulda (Deutschland), 28. Dezember:

  • durch das Geständnis von zwei Juden (wahrscheinlich unter Folter), die fünf Kinder eines Müllers ermordet und deren Blut abgefüllt zu haben, wurden 32 der dort ansässigen Jüdinnen:Juden ermordet

1240 n. Chr. / 5001

Ludwig der Heilige setzt in Frankreich als erster die Vorgaben des Laterankonzils 1215 umfangreich um:

  • Jüdinnen:Juden müssen einen gelben Ring als Erkennungsmerkmal tragen (Judenring auch in Italien, Judenhut in Deutschland), unterliegen Versammlungsbeschränkungen und länderspezifischen Berufsverboten

1287 n. Chr. / 5048
  • nachdem durch ein Pogrom in Bacharach kein Jude mehr dort lebte, griff die Judenverfolgung auf die Nachbarstädte über
  • im Mittelrhein- und Moselgebiet starben über 600 Jüdinnen:Juden

1290 n. Chr. / 5051
  • In Paris erfolgt die erste Anklage wegen Hostienschändung7: Einem Juden wird vorgeworfen, eine geweihte Hostie von einer Christin gekauft zu haben und diese im Beisein anderer geschändet zu haben. Daraufhin soll die Hostie Blut vergossen, sich verwandelt haben und weggeflogen sein. Der Angeklagte wird auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

 

Jüdinnen:Juden werden aus England, Frankreich und Deutschland vertrieben und leben für Jahrhunderte nicht mehr in großen Teilen Europas, dennoch werden sie in Rechtstexten, Passionsspielen, Theologie und Philosophie weiter aufgegriffen.


1298 n. Chr. / 5059
  • Vorwürfe über die Hostienschändung aus Paris finden in Frankreich kaum Anklang, breiten sich jedoch im Süden des Deutschen Reiches innerhalb weniger Monate über rund 130 Städte und Ortschaften aus und fordern mehr als 5000 jüdische Opfer
Darstellung des Ritualmordmythos, 1476 n. Chr.
Darstellung des Ritualmordmythos, 1476 n. Chr.
Quelle Bild: Kupferstich aus Matthaeus Raders “Bavaria Sancta”, in: Lotter, Friedrich (1955): Aufkommen und Verbreitung von Ritualmord- und Hosteinfrevelanklagen gegen Juden, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 67
14. Jahrhundert
5061 – 5161
1348 n. Chr. / 5109

Ausbruch der Pest → durch diese und andere Krisen am Anfang des 14. Jh. (Landknappheit, höhere Getreidepreise, massive Ernterückgänge durch Klimaverschlechterung und Hungersnöte) wird Volksfrömmigkeit, Fanatismus und Hass begünstigt, der auch Jüdinnen:Juden betrifft

  • der jüdischen Bevölkerung wird vorgeworfen die Brunnen zu vergiften → es finden die schwersten Pogrome des Mittelalters statt
15. Jahrhundert
5161 – 5261
1412 n. Chr. / 5173

In Spanien sollen Jüdinnen:Juden zum Christentum konvertieren, um mehr Rechte und Freiheiten zu erlangen → nur ein Fünftel dort bleibt jüdisch


1449 n. Chr. / 5210

Toledo (Spanien):

  • neues Gesetz besagt, dass jüdisches Blut auch nach dem Konvertieren zum Christentum jüdisch bleibt
  • abermals werden (ehemalige) Jüdinnen:Juden von Ämtern und Berufen ausgeschlossen, es erfolgen Überprüfungen von Stammbäumen

1492 n. Chr. / 5253

Kastilien (Spanien), 31. März:

  • Königin Isabella I. von Kastilien und König Ferdinand II. von Aragón erlassen das Alhambra-Edikt
  • Jüdinnen:Juden, die nicht zum Christentum konvertieren, werden aus Spanien verbannt, ansonsten droht der Tod und die Beschlagnahmung ihrer Güter
Darstellung Verbrennung der Juden, 1421 n. Chr.
Darstellung Verbrennung der Juden, 1421 n. Chr.
Quelle Bild: Darstellun in Schedel´schen Weltchronik, in: Weinzierl, Erika (1955): Stereotype christlicher Judenfeindschaft, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 133
16. Jahrhundert
5261 – 5361
1565 n. Chr. / 5326
  • in Polen bekommen Jüdinnen:Juden alle Rechte, jedoch prägen sich auch dort Vorurteile gegen sie ein
18. Jahrhundert
5461 – 5561
1789 n. Chr. / 5550
  • mehr als 40.000 Jüdinnen:Juden leben ohne Aufenthaltsrecht in französischen Gebieten, haben dort aber dennoch ein gefestigtes Netzwerk

Versaille (Frankreich), 26. August:

  • gegen das Veto des Königs gründen Abgeordnete eine repräsentative Versammlung, welche die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte verabschiedet, sowie eine Grundsatzerklärung, die die Gleichheit der Menschen fordert → Jüdinnen:Juden werden diese Rechte dennoch verweigert

1791 n. Chr. / 5552

Frankreich, 27. September:

  • Jüdinnen:Juden wird Gleichheit und die volle Staatsbürgerschaft gewährt
Quittung “Leibmaut” für Juden, 1748 n. Chr.
Quittung “Leibmaut” für Juden, 1748 n. Chr.
Quelle Bild: Quittung Leibmaut für Juden bei Übertritt von Landes- und Stadtgrenzen, in: Lichtblau, Albert (1955): Macht und Tradition, Von der Judenfeindschaft zum modernen Antisemitismus, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und Mythen, Wien, Seite 214
19. Jahrhundert
5561 – 5661
ca. ab 1845 n. Chr. / 5606

durch die Industrialisierung findet ein tiefgreifender gesellschaftlicher Wandel statt

  • Judenfeindlichkeit tritt in anderen Formen wie Kapitalismuskritik auf

1853 n. Chr. / 5614

Paris (Frankreich):

  • Arthur de Gobineau verfasst das erste Buch über menschliche Rassen und stellt in diesem die sogenannte “arische Rasse” als überlegen dar, Jüdinnen:Juden seien als “semitische Rasse” der “weißen Rasse” unterlegen

1860 n. Chr. / 5621

Paris (Frankreich), 17. Mai:

  • durch einen Vorfall in Italien (Taufe eines jüdischen Kindes8) wird die erste internationale Organisation zum Schutz der Juden gegründet:  “Alliance Israélité Universelle”

1870 n. Chr. / 5631
  • jüdische Emanzipation in ganz Westeuropa, es gibt keine Erkennungsmerkmale mehr
  • Antisemiten beginnen mit pseudowissenschaftlichen Studien zu arbeiten (Kraniometrie, Anthropometrie9)

1881 n. Chr. / 5642

Russland, 27. Juni:

  • Jüdinnen:Juden wird fälschlicherweise ein Attentat auf Kaiser Alexander II. vorgeworfen, dadurch kommt es zuerst in Odessa zu Pogromen, die sich später im ganzen Land ausbreiten

1886 n. Chr. / 5648
  • in Frankreich erscheint ein europaweit erfolgreiches zweibändiges antisemitisches Werk “La France Juive” (Das jüdische Frankreich) von Édouard Drumont, welches die jüdische Gesellschaft in  Frage stellt
  • Judenfeindlichkeit verbreitet sich durch Zeitungen und Karikaturen
  • Antisemitismus gilt als erstrebenswert und wird auch in der Politik verbreitet
Antisemitische Postkarte
Antisemitische Postkarte
QUELLE BILD: Krüger, Thomas (2006): Bundeszentrale für politische Bildung, Judenfeindschaft von der Antike bis zur Neuzeit, IN: HTTPS://WWW1.WDR.DE/STICHTAG/STICHTAG-ZERSTOERUNG-TEMPEL-JERUSALEM-100.HTML, STAND 14.08.2024
20. Jahrhundert bis 1945
5661 – 5711
1903 n. Chr. / 5664

Kishinov (Ukraine):

  • Ein christliches Kind wird ermordet, erneut wird den Jüdinnen:Juden dort der Ritualmord vorgeworfen und das erste Pogrom des 20. Jahrhunderts ausgelöst.
  • 100.000 Jüdinnen:Juden wandern aus, eine Minderheit von ihnen nach Palästina mit dem Ziel der Gründung eines jüdischen Staates

1912 n. Chr. / 5673

Fès (Marokko), 17. April 1912:

  • aus Wut über die Vertragsunterzeichnung des Sultans Mulai Abd al-Hafiz, welche Marokko zum französischen Protektorat macht, vergreift sich der geformte arabische Mob an den jüdischen Bewohner:innen und deren Besitztümern, wobei rund 50 Jüdinnen:Juden ermordet werden

1919 n. Chr. / 5680
  • Alfred Rosenberg (russischer Antirevolutionär) kommt nach Deutschland und schürt dort antisemitische Verschwörungstheorien (z.B. dass die Niederlage im 1. Weltkrieg durch eine jüdische Weltverschwörung bedingt war)

1921 n. Chr. / 5682

München (Deutschland), 29. Juli:

  • Adolf Hitler wird Vorsitzender der NSDAP und zum Führer gegen die sogenannte “kapitalistische und revolutionär bolschewistische Bedrohung”

1922 n. Chr. / 5683
  • Gründung der Sowjetunion, diese stellt als erstes Land Antisemitismus unter Strafe

Berlin (Deutschland), 24. Juni:

  • Außenminister Walter Rathenau (erster Jude in einem Ministeramt in Deutschland) wird von Rechtsextremen ermordet → Tat wird vom Volk verurteilt, es folgen große Demonstrationen

1928 n. Chr. / 5689

Paris (Frankreich):

  • in Frankreich gründen Zeugen der Schwartzbard Prozesse10  die LICRA (Ligua Internationale Contre le Racisme et l’Antisémitisme)

1933 n. Chr. / 5694

Berlin (Deutschland), 30. Januar:

  • am 30. Januar wird Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt, Deutschland wird damit der erste antisemitische Staat

1934 n. Chr. / 5695

Constantine (Algerien), 03. August 1934:

  • ausgelöst durch einen betrunkenen jüdischen Schneider, der über Muslime schimpft und den Islam beleidigt, kommt es zum Pogrom gegen ortsansässige Jüdinnen:Juden (25 sterben, 38 werden verletzt)

1935 n. Chr. / 5696

Nürnberg (Deutschland), 15. September:

  • der 5. Reichsparteitag verabschiedet das “Nürnberger Rassengesetz”, welches auch einschneidend in die Leben nichtjüdischer Bürger:innen wirkt (Strafe für z.B. Arbeit bei Jüdinnen:Juden)
  • Nationalsozialisten vermischen verschiedene Facetten der Judenfeindlichkeit und gründen Forschungseinrichtungen, die sich mit Theologie und frühchristlichen Debatten befassen (Bedienen an alter Rhetorik)

1938 n. Chr. / 5699

Deutschland, 09. November:

  • durch eine Hetzrede Josef Goebbels wird die Reichspogromnacht ausgelöst, wobei jüdische Geschäfte zerstört, Synagogen angezündet und rund 30.000 Jüdinnen:Juden in Konzentrationslager verschleppt werden

1933 – 1939 n. Chr. / 5694 – 5700
  • ca. der Hälfte der deutschen Jüdinnen:Juden gelingt die Ausreise aus Deutschland

1941 n. Chr. / 5702

Bagdad (Irak), 01. und 02. Juni 1941

  • nach der irakischen Niederlage gegen Großbritannien am 31. Mai kommt es zu Pogromen in Bagdad, bei denen 150 Jüdinnen:Juden ermordet und 500 verletzt werden

1945 n. Chr. / 5706

Oswiecim (Polen), 27. Januar:

  • die 1. Division der Roten Armee entdeckt zufällig das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau und befreit die Überlebenden

02. September:

  • offizielles Ende des zweiten Weltkrieges; ausgelöst durch das deutsche Reich hat der sechsjährige Krieg weltweit rund 60 Millionen Menschenleben gefordert

Unter der Diktatur von Hitler in Deutschland wurden sechs Millionen Jüdinnen:Juden ermordet, ca. 1 Millionen davon im Auschwitz-Komplex11.

Bild aus Kinderbuch “Der Giftpilz”, 1938 n. Chr.
Bild aus Kinderbuch “Der Giftpilz”, 1938 n. Chr.
QUELLE BILD: Darstellung aus  einem Kinderbuch, in: Gilman, Sader L. (1995): Der jüdische Körper, Gedanken zum physischen Anderssein der Juden, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und MYthen, Wien, Seite 171
Zeitschrift zum “Tag der Volkssolidarität”, 1945 n. Chr.
Zeitschrift zum “Tag der Volkssolidarität”, 1945 n. Chr.
QUELLE BILD: Titelblatt Zeitschrift, in: Bailer, Brigitte, (1995): “Alle haben gleich gelitten?”, Antisemitismus in der Auseinandersetzung um die soogenannte “Wiedergutmacheung”, in: Die Macht der Bilder, Antisemitische Vorurteile und MYthen, Wien, Seite 334

Fußnoten

1 Gottesmordmythos: angebliche unaufhebbare Kollektivschuld der Jüdinnen:Juden an der Kreuzigung Jesu (Die Gottesmordlegende: Grundlage für judenfeindliche Passionsdarstellungen über Jahrhunderte)

2 Eigentümer von Schutzrechten hat Kontrolle und Pflichten über die verschiedenen Lebensbereiche der Schutznehmenden, z.B.: Zuständigkeit über Ansiedlung, Kontrolle über Steuerleistungen, Gewährleistung von Rechtsschutz, Erlass von Verboten und Geboten, Befugnis Vertreibung zuzulassen oder zu verbieten

3 Ritualmord: Jüdinnen:Juden würden zur Osterzeit zur Verhöhnung der Passion Jesu einen christlichen Jungen in ritueller Form ermorden und dessen Blut zur Zubereitung des Mazzot (ungesäuertes Brot) verwenden

4 In der Kammerknechtschaft gilt der Kaiser als oberster Schutzherr der Jüdinnen:Juden, er verwaltet ihr Recht auf Leib und Eigentum, ihre Rechte zur Aufnahme in einer Stadt und ihre Freiheit zur wirtschaftlichen Betätigung und Religionsausübung; er darf sie außerdem besteuern und vertreiben

5 Lateran: päpstlicher Palast und Basilika in Rom; Konzil: Versammlung von Bischöfen und hohen Klerikern zum Erörtern und Entscheiden theologischer und kirchlicher Fragen

6 Sachsenspiegel: deutsches Rechtsbuch aus 1224 n. Chr., es beinhaltet aufgezeichnete Rechtsregeln von Eike von Repchow

7 Hostienschändung: Jüdinnen:Juden würden die Hostie, also den Leib Jesu, stehlen und zerstechen

8 Edgardo Motara, ein jüdisches Kind in Italien, wird heimlich vom christlichen Dienstmädchen der Familie getauft. Als der Dominikanerpater davon erfährt, beauftragt er die örtliche Polizei damit, das Kind zu entführen, damit dieser christlich aufwächst. Motara wird zum Vatikan gebracht und steht dort unter dem persönlichen Schutz von Papst Pius IX., wodurch ein Streit zwischen der jüdischen Gemeinde, die seine Freilassung fordert, und der christlichen Gemeinde beginnt. Die Forderung bleibt erfolglos.

9 Kraniometrie (Schädelmessung) und Anthropometrie (Maßverhältnisse am menschlichen Körper) wurden von Antisemiten benutzt, um in der Rassenideologie eine Über- oder Unterlegenheit von Menschen festzustellen.

10 In Frankreich erschoss Scholom Schwartzbard den ehemaligen ukrainischen Präsidenten Symon Petljura aus Rache, da Schwartzbard ihn für Pogrome und Massaker an den Jüdinnen:Juden (darunter auch seine Familie) verantwortlich machte. Sein Verteidiger Henry Torrès nutzte diesen Prozess für ein öffentliches Plädoyer gegen Judenverfolgungen. Schlussendlich wurde Schwartzbard freigesprochen.

11 vgl. https://encyclopedia.ushmm.org/content/de/article/documenting-numbers-of-victims-of-the-holocaust-and-nazi-persecution