Judenfeindliche Inschrift, röm.-kath. Sakramentskapelle Corpus Christi, Büren

Beschreibung

Seit der Veröffentlichung der Seite spuren-sichtbar-machen.de mit zunächst vier judenfeindlichen Objekten im Kreis Höxter am 27.3.2023 wurden der ada.kreis-höxter innerhalb eines Monats über hundert weitere Spuren gemeldet. Bei fast allen dieser Spuren christlicher Judenfeindschaft fand bis heute keine Kontextualisierung statt. Die Sakramentskapelle in Büren im Kreis Paderborn ist hier eine positive Ausnahme.

Die lateinische Inschrift über dem Portal besagt, dass der Paderborner Domprobst Freiherr von Asseburg den Bau errichten ließ, „zu Ehren des ehrwürdigen Sakraments und zur Wiederbelebung der Erinnerung an das eucharistische Wunder, welches an dieser Stelle gegen die Juden im Jahr 1337 vollbracht wurde“. Gemäß einer Verleumdung, die bis ins 20. Jahrhundert mündlich und schriftlich überliefert wurde, soll ein jüdischer Bewohner dieser Gegend eine christliche Magd dazu verleitet haben, ihm eine konsekrierte Hostie zu bringen. Die Hostie, die daraufhin von dem Juden entweiht worden sein soll, habe zu bluten begonnen. Der Frevel soll entdeckt und die Beschuldigten sollen bestraft worden sein.1

Judenfeindliche Konsolfigur (A), Kirche Mariä Heimsuchung, Warburg (Altstadt)

Eine 2006 rechts vom Portal der Kapelle angebrachte Tafel gibt den tatsächlichen historischen Sachverhalt wieder: Bürener Bürger begingen einen Mord an Juden. Als Strafe wurden sie 1292 vom Fürstbischof zur Errichtung einer Sühnekapelle verurteilt. Erst 1337 entstand die Legende vom Hostienfrevel. Es handelte sich somit um eine nachträgliche Umdeutung eines Mordes an Juden in einen angeblichen Frevel von Juden.2 An einer Mauer vor der Kapelle findet man ein Hinweisschild auf den interaktiven Stadtrundgang der Stadt Büren. Ein QR-Code leitet interessierte Personen direkt zu Informationen über die Sakramentskapelle Corpus Christi. Auch hier wird die Lüge von einem angeblichen jüdischen Frevel richtig gestellt.3

Im Mittelalter waren solche Legenden weit verbreitet. Sie dienten als Rechtfertigung für antijüdische Wallfahrten, aber auch als Vorwand für Diskriminierung, Vertreibung und gewaltsame Übergriffe bis hin zu Morden an Juden. Nach einer Blütezeit des jüdischen Geisteslebens kam es verstärkt zu Pogromen gegen Juden in Europa. Nachweisen lassen sich solche Taten im deutschsprachigen Raum unter anderem für die Jahre 1280 in Oberwesel, 1283 in Bacharach und Mainz, 1286 in München, 1293 in Krems, 1294 in Bern und 1298 allgemein in Bayern und Österreich. Für Westfalen ist der Pogrom in Büren überliefert. Dabei ist bemerkenswert, dass die jüdische Gemeinde Büren, die seit 1258 urkundlich belegt ist, zu den ältesten in Westfalen gehörte. In der Folgezeit reißen die Spuren jüdischen Lebens im Paderborner Raum für einen längeren Zeitraum gänzlich ab.4

Die Sakramentskapelle in Büren wurde von dem bekannten Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun im frühen 18. Jahrhundert gebaut und befindet sich in unmittelbarer Nähe des Marktes von Büren. Diese Kapelle ist bereits die dritte am gleichen Ort. Die vorherige Kapelle fiel im Jahr 1666 einem Stadtbrand zum Opfer. Auf einer Wiese vor bzw. neben der Kapelle steht seit 1994 ein Mahnmal für die Opfer von Kriegen, Terror und Gewalt.


Fußnoten

1 vgl. Sprenger, Heinrich (2013): Die Sakramentskapelle, Jugendwerk des berühmten Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun, in: https://www.bueren.de/de/tourismus/sehenswuerdigkeiten-und-ausflugstipps/sakramentskapelle.php, Stand: 27.4.2023;
vgl. Cohausz, Alfred (1962): Vier ehemalige Sakramentswallfahrten: Gottsbüren, Hillentrup, Blomberg und Büren, Westfälische Zeitschrift 112, in: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-5799.pdf; Stand: 12.4.2023
2 vgl. Haverkamp, Alfred / Müller, Jörg R. (Hg.) (2015): Corpus der Quellen zur Geschichte der Juden im spätmittelalterlichen Reich, in: WF01, Nr. 160, Trier, Mainz, in: https://www.medieval-ashkenaz.org/WF01/CP1-c1-029d.html, Stand: 16.5.2023;
vgl. Gausmann, Julia (11.3.2006): Antisemitische Legende / Woche der Brüderlichkeit / Schüler arbeiten Bürener Legende vom Hostienfrevel auf, in: Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische / www.hiergeblieben.de, in: http://www.hiergeblieben.de/pages/textanzeige.php?id=9480, Stand: 16.5.2023;
vgl. Sprenger, Heinrich (2013): Die Sakramentskapelle, Jugendwerk des berühmten Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun, in: https://www.bueren.de/de/tourismus/sehenswuerdigkeiten-und-ausflugstipps/sakramentskapelle.php, Stand: 27.4.2023

3 vgl. Stadt Büren: Die Sakramentskapelle, Jugendwerk des berühmten Barockarchitekten Johann Conrad Schlaun, in: https://www.bueren.de/de/tourismus/sehenswuerdigkeiten-und-ausflugstipps/sakramentskapelle.php, Stand: 17.5.2023

4 vgl. Cohausz, Alfred (1962): Vier ehemalige Sakramentswallfahrten: Gottsbüren, Hillentrup, Blomberg und Büren, Westfälische Zeitschrift 112, in: https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/txt/wz-5799.pdf; Stand: 12.4.2023

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