1903 n. Chr. / 5664
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- Mit der ersten, russischsprachige Ausgabe von Die Protokolle der Weise von Zion erscheint ein fiktionales Pamphlet, das sich im Verlauf des 20. Jahrhunderts zur globalen Programmschrift antisemitischen Verschwörungsdenkens entwickelt
- Die Protokolle, deren Herkunft noch immer nicht exakt geklärt werden konnte, geben vor, die Geheimpläne offenzulegen, mit der ein verschworener Kreis als mächtig und international vernetzt imaginierter Jüdinnen:Juden die Welt unter ihre Kontrolle bringen wollen
- Im ukranisischen Kishinov wird ein christliches Kind ermordet und Jüdinnen:Juden erneut des Ritualmords beschuldigt. Der Beschuldigung folgt das erste antisemitische Pogrom des 20. Jahrhunderts
- 000 Jüdinnen:Juden gehen in die Emigration, viele nach England und die USA, eine Minderheit nach Palästina mit dem Ziel, die Gründung eines jüdischen Nationalstaates vor Ort zu unterstützen
1912 n. Chr. / 5673
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- In Fès unterzeichnet Sultan Mulai Abd al-Hafiz einen Vertrag, der Marokko zum französischen Protektorat macht
- Aus Wut über diese Abgabe an Souveränität vergreift sich die arabische Bevölkerung an der jüdischen Bevölkerung der Stadt und deren Besitztümern
- Etwa 50 Jüdinnen:Juden werden ermordet
1919 n. Chr. / 5680
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- Der US-amerikanische Unternehmer und Automobilpionier Henry Ford kauft die Zeitung The Dearborn Independent in dem er eine englische Version der Protokolle der Weisen von Zion verbreitet und ab 1920 auch sein vierbändiges Buch The International Jew – The World‘s Foremost Problem in Artikelform verbreitete. Mit diesem, seinem Inhalt nach den Protokollen sehr ähnlichen und in 16 Sprachen übersetzen Buch leistete Ford der internationalen Verbreitung der antisemitischen Verschwörungsideologie einer „jüdischen Weltherrschaft“ enormen Vorschub.
1920 n. Chr. / 5681
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- Nach der der Niederlage Deutschlands und seiner Verbündeten im Ersten Weltkrieg und dem darauf folgenden Zusammenbruch des Osmanischen Reiches, erhält Großbritannien das Völkerbundsmandat für Palästina.
- Das britische Mandatsgebiet Palästina umfasste das heutige Israel und Jordanien sowie die palästinensischen Autonomiegebiete
- Mit der Übernahme des Mandats durch Großbritannien und der Befreiung von der Herrschaft des Osmanischen Reiches nahmen auch die Forderungen des Jischuw, der jüdischen Bevölkerung des Gebietes, zur Gründung eines jüdischen Nationalstaates wieder zu
- Ebenfalls 1920 wurde mit der Wahl eines jüdischen Nationalrates jüdische Selbstverwaltungsstrukturen ausgebildet, die 1928 auch seitens der britischen Machthaber anerkannt wurde
1921 n. Chr. / 5682
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- Adolf Hitler wird Vorsitzender der NSDAP
1922 n. Chr. / 5683
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- Gründung der Sowjetunion. Die sowjetische Regierung gewinnt schnell die Sympathie der jüdischen Bevölkerung, da sie Antisemitismus unter Strafe stellte und Pogrome zu verhindern versuchte. Zugleich wurde jüdisches Leben in der Sowjetunion nun maßgeblich von der Kommunistischen Partei Russlands, den Bolschewiki, bestimmt und in letzter Instanz von Jüdinnen:Juden eine Assimilation in die den Staatskommunismus gefordert
- Am 24. Juni 1922 / 5683 wird in Berlin Außenminister Walter Rathenau, der erste Jude in einem deutschen Ministeramt, von Attentätern der antisemitischen Organisation Consul Der Mord wird seitens der Bevölkerung verurteilt, es folgen große Demonstrationen
1928 n. Chr. / 5689
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- In Frankreich gründen Zeugen der Schwartzbard Prozesse die LICRA, die Ligua Internationale Contre le Racisme et l’Antisémitisme. Zuvor hatte der jüdische Anarchist Scholom Schwartzbard den ehemaligen ukrainischen Politiker Symon Petljura aus Rache getötet, da er ihn für Pogrome an Jüdinnen:Juden verantwortlich gemacht wurde, denen auch Schwartzbards Familie zum Opfer fiel. Sein Verteidige Henry Torrès nutzen den Prozess zu einem öffentlichen Plädoyer gegen Antisemitismus. Schwartzbard wird freigesprochen und emigriert in die USA
- Im britischen Mandatsgebiets Palästina fördert Mohammed Amin al-Husseini, ein islamisch-arabischer Nationalist, Mufti von Jerusalem und späterer Unterstützer des Nationalsozialismus, antisemitisches Gedankengut und Störaktionen gegen die jüdische Bevölkerung Palästinas
1929 n. Chr. / 5690
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- In verschiedenen Städten im britischen Mandatsgebiet Palästina, etwa in Jerusalem, Hebron und Safet finden Pogrome an Jüdinnen:Juden durch Teile der arabischen Bevölkerung statt. Aus Hebron wird die jüdischen Gemeinschaft vollständig vertrieben
1933 n. Chr. / 5694
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- Adolf Hitler wird zum deutschen Reichskanzler ernannt. Der Nationalsozialismus beginnt sich als politische Herrschaftsform zu konstituieren, die in erster Linie der vernichtungsantisemitischen Volksgemeinschaftsideologie folgt
1934 n. Chr. / 5695
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- In Constantine, Algerien, kommt es zu einem antisemitischen Pogrom
1935 n. Chr. / 5696
Nürnberg (Deutschland), 15. September:
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- Der deutsche Reichstag verabschiedet die ‚Nürnberger Rassengesetze, die den Ausschluss von Jüdinnen:Juden aus der deutschen Gesellschaft juridisch begründen.
- Es werden antisemitische Forschungsinstitute verschiedenster Disziplinen gegründet, um diesen ‚gesetzlichen Antisemitismus‘ auf allen Ebenen zu rechtfertigen
1938 n. Chr. / 5699
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- Am 9. November 1938 finden Pogrome im ganzen Reichsgebiet statt. Diese Gewalteskalation markiert einen Wendepunkt in der Radikalität der antisemitischen Politik des Nationalsozialismus
1933 – 1939 n. Chr. / 5694 – 5700
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- Etwa der Hälfte der deutschen Jüdinnen:Juden gelingt die Ausreise aus Deutschland
1939 n. Chr. / 5700
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- Mit dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September beginnt der Zweite Weltkrieg und radikalisiert sich der Krieg gegen die Sowjetunion auch zu einem Vernichtungskrieg gegen Jüdinnen:Juden
1941 n. Chr. / 5702
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- In Bagdad, Irak, kommt es nach der Kriegsniederlage des Irak gegen Großbritannien zu einem antisemitischen Pogrom, dem Farhud
1942 n. Chr. / 5703
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- Auf der Wannsehkonferenz organisieren, koordinieren und systematisieren Führungsfiguren des Nationalsozialismus die Shoah, die Vernichtung der europäischen Jüdinen:Juden im Detail
1945 n. Chr. / 5706
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- In Oswiecim, Polen, entdeckt die 1. Division der Roten Armee der Sowjetunion am 27. Januar das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau und befreit die Überlebenden
- Am 8. Mai kapituliert die deutsche Wehrmacht bedingungslos, die Alliierten besiegen den Nationalsozialismus
- Der 2. September datiert das Ende des von Deutschland verschuldeten Zweiten Weltkriegs. Weltweit sterben 60 Millionen Menschen, sechs Millionen Jüdinnen:Juden werden durch die Deutschen ermordet, allein eine Million von ihnen durch industriellen Massenmord in Auschwitz
1948 n. Chr. / 5706
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- Der neu auf dem Teilen des Gebietes des vorherigen Völkerbundmandats Palästina durch die Vereinten Nationen gegründete, demokratische Staat Israel erklärt seine Unabhängigkeit und gewinnt den Krieg, den ihm umliegende arabische Staaten erklärt haben
- In Wort zur Judenfrage reproduziert die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Vorwurf des „Gottesmords“
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- 2015 wird auf der 2. Tagung der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland eine Kundgebung verabschiedet, die das antijüdische Erbe Martin Luthers in seiner „exemplarischen Bedeutung“ für die Gesellschaft im Allgemeinen und der evangelischen Kirche im Besonderen anerkennt: Evangelische Christ:innen „erkennen die Notwendigkeit eines kritischen Umgangs mit unserem reformatorischen Erbe in der Auslegung der Heiligen Schrift, insbesondere des Alten Testaments“ ebenso wie die Tatsache an, dass die „reformatorische Tradition an der schmerzvollen Geschichte der ‚Vergegnung‘ (Martin Buber) von Christen und Juden“ hat. Daraus begründen sie eine „besondere Verantwortung, jeder Form von Judenfeindschaft und -verachtung zu widerstehen und ihr entgegenzutreten.“
- 2017 wird sich mit dem offiziellen Flyer Vorurteil, Ausgrenzung, Projektion und was wir dagegen tun können von den stereotypen Behauptungen, „die Juden seien Brunnenvergifter und Gottesmörder, würden Christenkinder schlachten und Hostien schänden“ distanziert.
- 2019 wird der Posten des Antisemitismusbeauftragte der EKA eingerichtet, der sich im Interviewstellvertretend von antijüdischen Topoi (etwa „Gottesmord“) und architektonischen Darstellungen (etwa der „Judensau“) distanziert. Zugleich wird aber zugestanden, dass die „Aufarbeitung […] erst mühsam und allmählich“ beginnt.
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1959 n. Chr. / 5717
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- Es findet eine antisemitische „Schmierwelle“ statt, jüdische Friedhöfe und Synagogen werden von mit Hakenkreuzen beschmiert
1965 n. Chr. / 5723
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- Auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil wird ein Artikel der katholischen Kirche zum Judentum verfasst, indem das Judentum als gleichberechtigte Religion prinzipiell Anerkennung erhält und der Vorwurf des „Gottesmords“ nicht länger zur Ausgrenzung und Gewalt gegen Jüdinnen:Juden herhalten könne. Als antijüdische Erfindung wird er allerdings nicht explizit zurückwiesen.
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- 2020 öffnet der Vatikan seine Archive und gewährt erstmals Wissenschaftler:innen Zugang zu Dokumenten, die belegen, dass sich und 15.000 Jüdinnen:Juden aus Europa an den Vatikan und Past Pius XII. mit Hilfeersuchen gewandt hatten. Damit ist hinreichend belegt, dass der ‚Weltkriegspapst‘ frühzeitig Kenntnisse über die Shoah und die nationalsozialistische Vernichtungspolitik besaß und dennoch darüber öffentlich schwieg. Bis 2020 hielt die Katholische Kirche dieses Schweigen aufrecht.
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